Bill Gates' langer Feierabend
Bill Gates gibt seine feste Position bei Microsoft auf und will sich um die gemeinnützige Stiftung kümmern, die er mit seiner Frau Melinda ins Leben gerufen hat. Doch auch dort erwarten den drittreichsten Mann der Welt zahlreiche Probleme. Für Microsoft hingegen könnte sein Abschied auf Raten ein Gewinn sein.
Je größer ein Werk ist, desto weiter muss man zurücktreten, um es selbst betrachten zu können. William Henry Gates III. wird am 27. Juni einen solchen Schritt tun und sich aus dem Tagesgeschäft bei Microsoft zurückziehen. Er bleibt Aufsichtsratsvorsitzender und wird engen Kontakt zu seinem Nachfolger-Triumvirat aus CEO Steve Ballmer, Strategiechef Craig Mundie und dem obersten Software-Architekten Ray Ozzie halten.
Gates ist 52 Jahre alt und mit einem von "Forbes" zuletzt auf 58 Milliarden US-Dollar geschätzten Vermögen der drittreichste Mensch der Welt. Seine Biografie ist eine Heiligengeschichte des Kapitalismus. 1975, im Alter von 19 Jahren, gründete er mit Paul Allen Microsoft, 1980 landete Gates den Coup seines Lebens, als er dem Programmierer Tim Paterson das Betriebssystem QDOS für 50.000 US-Dollar abkaufte, es modifizierte und zum Standard-Betriebssystem für den IBM-PC und alle seine Klone machte.
Gates ist auch Begründer einer anderen wichtigen Tradition der Software- und Medienindustrie. Schon 1976 beschwerte er sich in seinem "Open Letter to Hobbyists" über böse Privatkopierer. 1975, in seinem ersten Geschäftsjahr, machte Microsoft rund 16.000 US-Dollar Umsatz. 2007 schaffte es das Unternehmen auf 51 Milliarden, bei einem Nettogewinn von 14 Milliarden US-Dollar.
Ist er gut ...
==Die Foundation==
Der Microsoft-Mitgründer ist nicht jedermanns Liebling. Er inspirierte Journalisten zu Buchtiteln wie "Barbarians led by Bill Gates", und selbst im Rahmen eines hagiografischen Dossiers zu seinem Rücktritt kann das Wirtschaftsmagazin "Fortune" nicht anders, als eine seiner wesentlichen Managementtechniken zu erwähnen: "Institutionalize Paranoia" - Verfolgungswahn als Grundprinzip.
Gates ist mit Microsoft erwachsen geworden. Beide brauchen nun ein neues Image und müssen neue Vorgehensweisen etablieren, um das Erreichte absichern und weiter wachsen zu können - Gates als Person und Microsoft als Unternehmen. Das "Fortune"-Dossier gibt die Richtung vor. Aus Gates, dem Gründer, wird Gates, der Philanthrop. Allein 2007 hat die im Jahr 2000 gegründete gemeinnützige Melinda & Bill Gates Foundation 3,3 Milliarden US-Dollar an wohltätige Initiativen ausgeschüttet.
Bill Gates und der mit ihm befreundete Finanzinvestor Warren Buffett - der derzeit reichste Mensch der Welt - haben die Stiftung bisher mit 38,7 Milliarden US-Dollar ausgestattet. Buffett will 85 Prozent seines Vermögens, das derzeit rund 62 Milliarden Dollar umfasst, an wohltätige Organisationen spenden, der Großteil davon soll an die Gates Foundation gehen.
Wohltätigkeit und Kritik
Die Stiftung, die bereits 1997 konzipiert wurde, wird bis Ende 2008 von CEO Patty Stonesifer geleitet. Auch Gates' Vater William Sr. ist in der Leitung der Foundation tätig. An ihrer Spitze steht das Ehepaar Gates sowie Buffett. Bis 50 Jahre nach dem Tod von Melinda und Bill Gates muss die Stiftung ihr gesamtes Geld für wohltätige Zwecke ausgegeben haben und sich dann auflösen. Die drei Kinder des Ehepaares sollen jeweils zehn Millionen Dollar erben. Besonderer Schwerpunkt in der Arbeit der Stiftung ist der Kampf gegen Krankheiten wie Aids und Malaria.
Die Vorgehensweise der Stiftung hat aber auch harte Kritik auf sich gezogen. 2007 veröffentlichte die "Los Angeles Times" eine umfangreiche Artikelserie mit Recherchen zur Gates Foundation. Der zentrale Vorwurf dabei: Die Stiftung kämpfe gegen Missstände, für deren Entstehung sie über ihre Investments in internationale Großkonzerne selbst mitverantwortlich sei.
Tatsächlich hat sich die Gates-Stiftung 2006 zweigeteilt. Der eine Arm, die Foundation, gibt Geld für wohltätige Zwecke. Der zweite Arm, der Bill & Melinda Gates Foundation Trust, verwaltet und investiert das Vermögen der Stiftung. Die Reporter der "LA Times" stellten 2006 bei Ortsterminen in Nigeria fest, dass die Stiftung zwar Polio-Impfungen im Niger-Delta finanziert, dort aber gleichzeitig die Umwelt durch Ölkonzerne wie die italienische ENI, Shell, Total, Exxon Mobil und Chevron schwer in Mitleidenschaft gezogen wird - in die der Gates-Trust wiederum zu diesem Zeitpunkt insgesamt 423 Millionen US-Dollar investiert hatte.
Weiterhin, so die "LA Times" im Dezember 2007, zeitige die Konzentration der von der Gates-Stiftung unterstützten Hilfsorganisationen auf die Bekämpfung bestimmter Krankheiten wie Aids unerwünschte Nebeneffekte. So fehle das Personal zur Bekämpfung anderer Krankheiten, da Fachkräfte von den Anti-Aids-Kampagnen besser bezahlt würden als von den lokalen Gesundheitsorganisationen.
Foundation-CEO Stonesifer reagierte auf die ersten Artikel der "LA Times", indem sie in einem Brief die Investitionsstrategie der Stiftung verteidigte. Ein einzelner Aktionär könne die Probleme nicht lösen. Eine Änderung der Investitionsstrategien seitens des Trusts würde kaum Auswirkungen auf die beschriebenen Missstände haben, so Stonesifer.
... oder böse?
Elder Statesman
Bill Gates, der seine Zeit nun vor allem der Stiftung widmen wird, hat also einiges zu tun. Im "Fortune"-Profil wird klar, dass er ein "Elder Statesman" zu werden gedenkt. Als Lenker seiner Stiftungsgelder wird er sich freier auf der politischen Weltbühne bewegen können als zu seinen Zeiten als Microsoft-Chef.
Das wird seinem Unternehmen sicher nicht schaden, genauso wenig wie die Ablösung des Übervaters Gates. Ein Konzern wie Microsoft muss aus sich heraus funktionieren und kann nicht auf eine einzelne mythische Gründerfigur festgelegt sein. Wie gefährlich eine solche Fixierung sein kann, zeigt das Beispiel Apple.
Bill und Steve
In der IT-Welt gibt es schließlich nur einen, der Bill Gates an Status gleichkommt: Apple-Mitgründer Steve Jobs. Die beiden etwa gleichaltrigen Männer sind durch eine lange parallel verlaufene Geschichte miteinander verbunden. Jobs braucht den drögen wie mächtigen Gates, um sich als Prophet der Coolness inszenieren zu können, und Gates braucht Jobs und Apple, um den Kartellbehörden vormachen zu können, dass es auf dem Markt der Betriebssysteme doch noch so etwas Ähnliches wie Konkurrenz gibt.
Schließlich ist es Gates mit zu verdanken, dass Apple überhaupt noch existiert. 1997 stützte Bill seinen alten Rivalen Steve mit dem Erwerb von nicht stimmberechtigten Apple-Aktien in Höhe von 150 Millionen US-Dollar, der Garantie auf mindestens fünfjährige Weiterentwicklung von Office für den Mac und einem gegenseitigen Patentabkommen. Apple galt zu der Zeit als erledigt.
Es fällt auch schwer, sich Apple ohne Steve Jobs vorzustellen. Als Jobs 2003 mit Bauchspeicheldrüsenkrebs diagnostiziert wurde, schaffte es das Unternehmen, diese Tatsache für neun Monate geheim zu halten, wie "Fortune" im März 2008 enthüllte. Für Jobs' Privatsphäre war das gut. Aber die Zweifel, ob Apple auch ohne seinen hauseigenen Superstar noch "insanely great" sein würde, bleiben.
Mehr Paranoia
Sich Microsoft ohne die ständige treibende Präsenz von Bill Gates vorzustellen, fällt dank der sorgfältig orchestrierten Rückzugsstrategie nun aber nicht schwer - zumindest für Beobachter von außen. Ob der Konzern unter einem jüngeren Gates etwa vom Trend zum Mini-PC auf seinem ureigensten Gebiet derart überrascht hätte werden können, dass es Asus wagen konnte, den ersten Eee PC ohne Windows auszuliefern, sei dahingestellt.
Und die Tatsache, dass Microsoft mit Google einem Kontrahenten gegenübersteht, der - völlig ungewohnt - nicht in den ersten fünf Minuten über die eigenen Füße stolpert, mag auch zu denken geben.
Beim kruden Versuch, ausgerechnet Yahoo zu übernehmen, wirkte Microsoft sogar ein bisschen wie das IBM der OS/2-Ära. Das mit der institutionalisierten Paranoia müssen Bills Nachfolger also noch ein wenig üben.
(futurezone | Günter Hack)