Das Anti-iPhone kommt nach Europa
Am 2. Juli trifft die erste Lieferung des frei programmierbaren Linux-Handys OpenMoko FreeRunner in Deutschland ein. Das Gerätchen hat WLAN, Bluetooth, GPS und Triband-GSM/GPRS sowie Bewegungssensoren integriert, der Touchscreen bietet auf 2,8 Zoll eine 640x480-VGA-Auflösung. Preis: Ab 300 Euro.
Mit ziemlich genau einem Jahr Verspätung kommt das Linux-basierte OpenMoko-Handy nun auf den Markt. Es ist keine Übertreibung, es als "Anti-iPhone" zu bezeichnen, denn beim OpenMoko ist bei ganz ähnlichen Funktionalitäten alles völlig anders als bei Steve Jobs' Lieblingsgadget.
Während bei Apples Gerät die Hardware gegen jede Veränderung hermetisch abgeschottet wurde, ist beim OpenMoko FreeRunner jede einzelne Komponente dokumentiert. Und während im iPhone sogar der Akku fix in der Hardware verbaut ist, lässt sich der im OpenMoko natürlich tauschen.
Das OpenMoko FreeRunner
==Der Grund für die Verzögerung==
Nicht nur die seit 2006 in Entwicklung befindliche Software samt den Entwicklungswerkzeugen ist frei erhältlich und vollständig offengelegt, auch sämtliche Hardware-Komponenten sind dokumentiert. Und eben das ist auch der Grund für die Verzögerung.
So hatte die Suche nach einem WLAN-Modul das Projekt "um viele Wochen aufgehalten", weil nur ein Produkt infrage gekommen sei, das vollständig dokumentiert und mit funktionierenden Linux-Treibern ausgestattet sei, sagte Marc Stephan, Mitinhaber der deutschen Firma TRIsoft, zu ORF.at.
Die "freiesten Komponenten"
Getreu dem Konzept des Geräts habe das taiwanesische Unternehmen OpenMoko also nicht die "edelsten und neuesten" Komponenten verbauen können, sondern die "freiesten".
Das wiederum sei alles andere als einfach gewesen, vom GPS-Modul bis zur USB-Schnittstelle für jedes benötigte Teil einen Hersteller zu finden, der gewillt war, dessen elektronisches Innenleben vollständig offenzulegen.
Kein UMTS
Beim USB-Port, an den zum Beispiel eine Tastatur angeschlossen werden kann, musste man sich etwa auf USB 1.1 beschränken, ein dokumentiertes UMTS-Modul war ebenso wenig zu haben.
Die Innereien
Ansonsten kann das gute Stück, das um 350 Euro zu haben ist, einem Vergleich mit dem iPhone durchaus standhalten.
Der 2,8-Zoll-Touchscreen bietet echte VGA-Auflösung [640 x 480], dazu kommen ein mit 400 MHZ getakteter Prozessor, Bluetooth, ein WLAN- und ein [A]GPS-Modul sowie zwei 3-D-Bewegungssensoren.
An Speichereinheiten sind 128 MB SDRAM sowie 256 MB NAND Flash vorhanden, über den Micro-SD-Slot für SDHC-Micro-SD-Karten lassen sich acht GB Speicher integrieren, das ist das aktuell größte derartige Speicherelement. In naher Zukunft sollen bis zu 32 GB möglich sein.
Die "geschluckte Kröte"
Allein beim Funkteil musste man von der Philosophie der Freiheit abgehen - "die einzige Kröte, die wir schlucken mussten", so Stephan.
Wäre die Funkeinheit nämlich ebenso frei programmierbar wie der Rest des Geräts, hätte es niemals eine Zulassung für Mobilfunknetze gegeben. Das Triband-GSM/GPRS-Modul funktioniert dafür in allen GSM-Netzen - auch in den USA, wo andere Frequenzen benutzt werden.
Zu diesem Zweck braucht es auch nicht, wie ehedem das iPhone, gehackt zu werden, weil im FreeRunner naturgemäß keine SIM-Card-Sperre enthalten ist.
Ein "dämlicher Designfehler"
In erster Linie sei der FreeRunner aber ein programmierbarer Mini-Computer, mit dem man eben auch telefonieren könne, sagte Stephan, der damit rechnet, dass die erste Ladung am 2. Juli von FedEx in Deutschland abgeliefert wird.
Die allerletzte Verzögerung war erst vor wenigen Wochen aufgetreten, resultierend aus einem "dämlichen Designfehler", so Stephan. Zwischen den beiden ebenfalls integrierten LEDs fehlte ein simpler Widerstand, dessen Absenz den Stromverbrauch vervielfachte.
Abschaltbare Module
Der Widerstand musste auf die bereits fertig bestückten Platinen noch beim Hersteller manuell aufgelötet werden.
Alle gerade nicht benötigten Module sind abschaltbar, um die Akkulaufzeiten zu verlängern, über die sich im Moment nichts Definitives sagen lässt. Die neuesten, in Deutschlands bereits getesteten Geräte waren noch solche mit dem fehlenden Widerstand.
Die Hersteller
Die Produzenten des Geräts, zu Beginn des Projekts 2006 noch eine Abteilung des taiwanesischen Auftragsfertigers First International Computers [FIC], sind nunmehr ein eigenes Unternehmen, das bei First International fertigen lässt.
Die deutsche Vertriebsfima TRIsoft wiederum kann bereits auf langjährige Erfahrung mit Linux-PDAs verweisen. Alles begann mit dem Import von Sharps "Zaurus" aus Japan, der dann für den Betrieb in GSM-Netzen umgerüstet wurde. Auch das deutsche Unternehmen Pulster hat einen Vertriebsvertrag mit OpenMoko unterzeichnet und bietet auf seiner Website den FreeRunner an.
Revolution 2.0
Was den Namen des Geräts betrifft, das eigentlich "Neo 1973" heißt, so wurde diese Bezeichnung deshalb gewählt, weil im Jahr 1973 mit dem ersten dokumentierten mobilen Telefonat die Handyrevolution begonnen hatte.
Das erste bis hin zu jedem Hardware-Teil dokumentierte und daher völlig frei programmierbare Mobiltelefon sehne die Hersteller als den beginn der zweiten Phase in der Mobilfunkrevolution.
(futurezone | Erich Moechel)