Streit über Zentralisierung der Meldedaten
Während der deutsche Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble [CDU] auf eine zentrale Speicherung der Meldedaten drängt, melden SPD und Opposition Zweifel an dem Vorhaben an.
Ein neues Bundesmelderegister soll die Meldedaten der Bürger in Deutschland zentral erfassen und die hohe Fehlerquote bei den lokalen Meldebehörden beseitigen.
Die Bundesregierung setzt damit die Vorgabe der am 1. September 2006 in Kraft getretenen Föderalismusreform um, wonach das Melderecht von den Ländern auf den Bund übergeht. Der Referentenentwurf wird nach Angaben des Bundesinnenministeriums vom Freitag derzeit mit den Ressorts abgestimmt.
Fehlerhafte Daten
In den lokalen Melderegistern sind nach Erhebungen des Statistischen Bundesamtes gegenwärtig die Adress-, Namens- oder Geburtsangaben von rund 4,8 Millionen Einwohnern fehlerhaft. Das Innenministerium bestätigte einen Bericht der "Bild"-Zeitung. Mit dem Gesetz sollen laut Ministerium die Meldeverfahren vereinfacht werden. Jetzt werden die Meldedaten der Einwohner lokal von 5.283 Meldebehörden verwaltet.
Das Bundesmelderegister soll neben den bestehenden Melderegistern als zentrale Anlaufstelle eingerichtet werden. Bereits 2006 kamen die Regierungschefs von Bund und Ländern überein, die Defizite des dezentralen Meldewesens zu beseitigen. Als Vorteil eines zentralen Registers stellt das Innenministerium den schnellen Zugriff bei Notfällen heraus. Polizei, Feuerwehr und Hilfsdienste seien bei Rettungseinsätzen auf zuverlässige Informationen über Identität und Aufenthaltsort einer Person angewiesen.
Scharfe Reaktionen der SPD
In der großen Koalition bahnt sich Streit um das vom Bundesinnenministerium geplante zentrale Melderegister an. "Die SPD kann nicht erkennen, warum so etwas sein muss", sagte der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz der "tageszeitung" [Samstagausgabe]. Justizministerin Brigitte Zypries [SPD] meldete in der "Sächsischen Zeitung" vom Samstag ebenfalls "Gesprächsbedarf" an. Auch die Oppositionsfraktionen kritisierten die Pläne. Das Innenministerium verwies dagegen auf Defizite im derzeitigen Meldewesen. Um diese zu beheben, hätten sich die Regierungschefs von Bund und Ländern 2006 im Aktionsplan "Deutschland online" darauf verständigt, das Meldewesen in eine "zukunftsfähige Strukur" zu überführen.
Laut Innenministerium sollen die rechtlichen Grundlagen für ein Bundesmelderegister durch ein Bundesmeldegesetz geschaffen werden. Dazu legte das Ministerium Anfang Mai einen Referentenentwurf vor, der sich zur Zeit in der Ressortabstimmung befindet. Die Arbeit an dem Gesetz geht zurück auf Änderungen durch die Föderalismusreform I, durch welche die Kompetenz für das Meldewesen von den Ländern auf den Bund übertragen wurde. Ziel des geplanten zentralen Melderegisters ist demnach unter anderem "die Versorgung der Behörden und sonstiger öffentlicher Stellen durch regelmäßige Datenübermittlungen". Derzeit seien die Daten von rund 4,8 Millionen Einwohnern "fehlerhaft".
Datenschützer und Opposition dagegen
Der CDU-Abgeordnete Clemens Binninger verwies in der "Bild"-Zeitung vom Freitag darauf, dass vom geplanten zentralen Bundesmelderegister "bessere Daten und Einsparungen von über 100 Millionen Euro" erwartet würden. Wiefelspütz sprach dagegen mit Blick auf die angegebene Notwendigkeit des Vorhabens von einer "Bringschuld" des Innenministeriums. "Aber die Antworten reichen da noch überhaupt nicht aus." Auch der Datenschutzbeauftragte Peter Schaar vertrat in der "taz" die Auffassung, ohne Nachweis der Notwendigkeit dürfe es kein zentrales Melderegister geben.
Zypries betonte, es gebe "noch Gesprächsbedarf zu diesem Vorhaben, weil ich noch nicht überzeugt bin, dass wir ein Bundesregister in dieser Form brauchen". Die Kommunen führten Melderegister, manche Bundesländer verfügten zudem über Landesmelderegister und teilweise gebe es auch schon länderübergreifende Meldeportalverbünde. "Bevor wir nun ein weiteres Melderegister auf Bundesebene schaffen, müssen wir sorgfältig prüfen, ob das, was dieses zentrale Bundesregister leisten soll, möglicherweise durch die vorhandenen Register leistbar ist, welche Optimierungsmöglichkeiten bestehen und wie man am besten vermeiden kann, dass es zu weiteren Mehrfachspeicherungen derselben Datenbestände auf unterschiedlichen staatlichen Ebenen kommt."
Die FDP-Innenexpertin Gisela Piltz nannte die Pläne von Innenminister Wolfgang Schäuble [CDU] "ein weiteres Puzzlestück im Datensammlungswahn des Staates". Der Bürger dürfe "nicht zur Nummer werden". Linken-Fraktionsvorstandsmitglied Petra Pau mahnte, immer mehr Daten würden gesammelt, zentralisiert und verknüpft. "Das ist das Gegenteil von Datenschutz. Und Datenschutz ist Persönlichkeitsschutz." Grünen-Chefin Claudia Roth kritisierte, Schäubles "Sammeltrieb" kenne keine Grenzen. Der Innenminister wolle "im Datenmeer schwimmen". "Der zentralisierte Zugriff auf möglichst viele persönliche Daten der Bürgerinnen und Bürger ist das Ziel."
(dpa | AFP)