18.05.2000

BOO-HOO

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Korrekturphase im E-Commerce eingeleitet

Die bisher größte europäische E-Commerce-Pleite des Online-Modehändlers Boo.com zieht generelle Zweifel über die wirtschaftliche Überlebensfähigkeit von Start-up-Firmen im Netz nach sich.

So heißt es - in einer passenderweise gestern veröffentlichten - Studie des Beraters PricewaterhouseCoopers, eine von vier britischen Internet-Firmen könne innerhalb der nächsten sechs Monate pleite gehen.

Die Studie bestätigt damit lediglich andere Untersuchungen aus diesem Jahr, die zu ähnlich pessimistischen Ergebnissen gekommen sind.

Fehlende Kostenkontrolle

"Wir sind sehr enttäuscht, mitteilen zu müssen, dass wir die KPMG als Liquidator der Firma einsetzen müssen", teilte Boo.com heute mit. Zuvor waren Bemühungen gescheitert, Investoren für die aufgekommenen Verbindlichkeiten in Höhe von 30 Millionen Dollar oder einen Käufer zu finden.

Das Problem des mit einer großen PR-Kampagne gestarteten E-Commerce-Neulings war laut Mitgründer Ernst Malmsten die fehlende Kostenkontrolle.

Die Firma habe es nicht fertig gebracht, schnell genug eine große Zahl von Kunden zu akquirieren, um die hohen Anfangskosten zu decken. "Wir waren zu visionär", sagte Malmsten. "Alles sollte perfekt sein, und wir hatten keine Kontrolle über die Kosten."

Auf dem bisherigen Höhepunkt des Investoren-Runs auf Netz-Werte im vergangenen Jahr wurde Boo.com mit rund 444 Millionen Euro bewertet. Am Firmensitz in London waren bislang 200 Mitarbeitern beschäftigt. In den Außenstellen München, New York, Paris und Amsterdam droht weiteren 100 Boo.com-Angestellten die Arbeitslosigkeit.

Pleitewelle vorhergesagt

Boo.com werde "viele gute Geschäfte nach unten ziehen", sagte Peter Misek, Analyst bei Chase H&Q. "Es war der größte Internet-Start-up im Bereich Einzelhandel in Europa, und es hat die Leute ein paar sehr harte Lektionen über die Wichtigkeit eines stimmigen Geschäftskonzepts gelehrt", fügte er hinzu.

Kapitalgeber werden skeptisch

Triebfeder der schlecht finanzierten und konzeptionierten E-Commerce-Unternehmungen ist die vorherrschende Internet-Euphorie gepaart mit dem Druck, sich möglicht schnell im Netz etablieren zu wollen.

Dadurch werden auch offensichtliche Schwächen des Netz-Business vielfach übersehen. So monierten Kritiker schon zum Boo.com-Start vor einem halben Jahr, dass der erfolgreiche Verkauf gerade von modischer Kleidung stark vom Umfeld und dem Einkaufserlebnis abhängt.

Genau dieses Einkaufserlebnis konnte Boo.com trotz aufwendiger Site-Gestaltung offensichtlich nicht genügend Kunden bieten.

Analysten gehen davon aus, dass Banken und Risiko-Kapitalgeber nach der Boo.com-Pleite sehr viel zurückhaltender Kapital an neue Unternehmen vergeben werden. Auch bestehende Unternehmen könnten vielfach einer Überprüfung ihrer Wirtschaftlichkeit entgegensehen.