YouTube-Nutzerdaten: Datenfalle USA

04.07.2008

Google muss laut einem Gerichtsbeschluss sämtliche Nutzerdaten seiner Online-Videoplattform YouTube an den US-Medienkonzern Viacom aushändigen. Darunter befinden sich mit großer Wahrscheinlichkeit auch Datensätze österreichischer Nutzer. Verhindern lasse sich deren Weitergabe nicht, sagte der Datenschützer Hans Zeger.

Er könne noch nicht mit Bestimmtheit sagen, inwieweit auch europäische Nutzer von der Weitergabe der Nutzerdaten der Online-Videoplattform YouTube an Viacom betroffen sind, sagte Google-Sprecher Kay Oberbeck am Freitag zu ORF.at.

Im Gerichtsurteil sei jedoch von globalen Logs die Rede, so Oberbeck: "Unser Anliegen ist es, dass die Daten anonymisiert werden. Wir haben auch an Viacom appelliert, das zuzulassen."

Ein New Yorker Bezirksgericht entschied in der Nacht auf Donnerstag, dass Google den User-Namen und die IP-Adressen jedes einzelnen Nutzers, der sich Videos auf YouTube angesehen hat, im Zuge einer Klage wegen Urheberrechtsverletzungen an Viacom mitteilen muss.

Auch der Zeitpunkt des Starts der angesehenen Videos und die ID-Nummer der Clips müssen laut der Entscheidung des Gerichts an den US-Medienkonzern ausgehändigt werden, der Google im Juli 2007 auf eine Milliarde Dollar Schadenersatz wegen Urheberrechtsverletzungen auf YouTube geklagt hatte.

Beschwerde ...

Österreichische Nutzer haben nach Meinung von ARGE-Daten-Chef Zeger kaum Möglichkeiten, die Weitergabe ihrer Daten an den US-Medienkonzern zu verhindern.

Nach dem Safe-Harbor-Abkommen hätten sie die Möglichkeit, bei der US-Handelsorganisation Federal Trade Commission [FTC] Beschwerde gegen die Datenweitergabe einzulegen. Dass dieser stattgegeben werde, sei jedoch sehr unwahrscheinlich, so Zeger zu ORF.at.

... oder Unterlassungklage

Auch eine Unterlassungsklage vor einem US-Gericht habe wenig Aussicht auf Erfolg, vermutet Zeger. Es wäre jedoch schön, wenn die Republik das unterstützen würde und etwa das Kostenrisiko übernähme, sagte Zeger, aber "das dürfte ein Wunsch ans Christkind bleiben".

Europäische Nutzer sollten sich darüber klar sein, dass die USA keine mit Europa vergleichbaren Datenschutzrechte hätten, sagte Zeger: "Mit der Nutzung von US-Diensten verlassen Nutzer den relativ gesicherten Bereich in Europa und begeben sich in die absolute Willkür der USA."

Der ARGE-Daten-Obmann empfiehlt die Nutzung von Anonymisierungsdiensten, die im Übrigen auch zunehmend von US-Nutzern genützt würden, um auf Plattformen wie YouTube oder MySpace zu gehen.

"Personen identifizieren"

Dass Viacom die Nutzerdaten ausschließlich dazu nutzen werde zu beweisen, dass der Erfolg von YouTube auf urheberrechtlich geschützten Videos basiert, glaubt Zeger nicht.

"Wenn die Firma IP-Adressen haben will, hat sie früher oder später sehr wohl vor, die Personen zu identifizieren und sie gegebenenfalls vor Gericht als Zeugen zu zitieren oder selbst zu belangen. Alles andere wäre unverständlich", so der Datenschützer.

Ein Sprecher des deutschen Chaos Computer Clubs sagte, für die Nutzer des Portals sehe er nicht die Gefahr einer Klage durch Viacom. Mit den Daten könne Viacom aber nun die Schadenssumme gegenüber Google beziffern.

"Informationen auswerten"

"Da es Viacom um die Verletzung von Urheberrechten geht, stellt sich die Frage, warum dem Unternehmen nicht nur der Zugriff auf einen Teil der Daten gewährt wird", sagte Marit Hansen, stellvertretende Datenschutzbeauftragte des deutschen Bundeslandes Schleswig-Holstein.

Nun bestehe die Gefahr, dass Viacom die Informationen über die Interessen der YouTube-Nutzer auswerte oder sogar an andere Unternehmen weiterverkaufe.

Auch könnten Sicherheitsbehörden möglicherweise Profile der Besucher erstellen und so etwa Einreisegenehmigungen verweigern oder eine Einstellung im öffentlichen Dienst verhindern, warnte die Datenschützerin.

Nach Angaben der US-Nachrichtenplattform CNet, die sich auf eine Viacom nahestehende Quelle beruft, darf der US-Medienkonzern die Daten nur dazu verwenden, um nachzuweisen, dass YouTube aufgrund urheberrechtlich geschützter Inhalte groß geworden sei. Jede andere Nutzung würde einer Missachtung des Gerichts gleichkommen und geahndet werden, heißt es in dem Artikel. Viacom soll darüber hinaus nicht direkt auf die Daten zugreifen können.

Gefahr des Missbrauchs

Durch die erzwungene Weitergabe der Daten bestehe die Gefahr des Missbrauchs, so Hansen. Die gelte besonders, wenn weitere Firmen mit dem Argument des Urheberrechtsschutzes den Zugriff auf die Google-Datenbank einklagten. Dann könnten weder YouTube-Nutzer noch Datenschützer die Auswertung der Informationen nachvollziehen.

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(futurezone | AFP)