Mobilfunk: Die vierte Generation
Die vierte Generation drahtloser Telefonie [4G] heißt in Europa LTE, Long Term Evolution. Forscher wollen damit Datenübertragungsraten von bis zu 100 Megabit pro Sekunde erreichen. Noch höher als die technischen sind dabei allerdings die finanziellen Hürden.
Der neue Mobilfunkstandard LTE ist noch sehr jung. Erst Ende 2007, so eine Studie der OECD, wurden die Spezifikationen für LTE fertiggestellt. Ab 2008 sollten damit bei 20 MHz Bandbreite maximale Downloadraten von bis zu 100 Megabit/s erzielt werden können.
Im Laufe der kommenden zwei bis drei Jahre würden sich die ersten LTE-Anwender allerdings mit 25 bis 50 Megabit/s zufrieden geben müssen, meint Gerhard Fettweis von der Technischen Universität Dresden. Er leitet dort den Vodafone-Stiftungslehrstuhl für mobile Nachrichtensysteme.
Derzeit ist auch unter Experten noch umstritten, zu welcher Generation der neue Mobilfunkstandard gehört. Während die Autoren der OECD-Studie LTE der dritten Generation des Mobilfunks zurechnen, betrachtet Gerhard Fettweis LTE sehr wohl als Evolutionsschritt Nummer vier in der Mobiltelefonie.
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So richtig viel Bandbreite erst 2017
Nicht nur, was die Namensgebung und die zu erwartenden Übertragungsraten betrifft, herrscht rund um 4G Verwirrung. In Europa, so Gerhard Fettweis, werde man auf Geschwindigkeiten von 100 Megabit/s im Mobilfunk noch eine Weile warten müssen.
Seinen Schätzungen nach wird es mindestens zehn Jahre dauern, bis solche Geschwindigkeiten möglich seien. "Das ist dann die 4½. Generation. Easy-C, also das, was wir hier in unserem Forschungsprojekt vorbereiten, ist die Technologie, die wahrscheinlich 2017 in die Netze kommt."
Fragen nach dem Vorteil
Im April 2008 hatte die Mobilfunk-Expertengruppe 3GPP zu einem Treffen in der Nähe von Hongkong geladen. Dort wurden die ersten Forschungsergebnisse vorgestellt und jene Ideen präsentiert, welche nach LTE zum Zug kommen sollen.
Jane Zweig, Leiterin der Mobilfunk-Beratungsfirma "Shosteck Group", kann sich mit den 4G-Technologien noch nicht so richtig anfreunden.
"Ich habe keine Ahnung, was LTE im Vergleich zu bereits existierenden Techniken bietet", so Zweig. "Man erzählt mir, es ginge um höhere Bandbreite, aber die Menschen nutzen heute noch nicht einmal die existierende Bandbreite wirklich aus. Geht es um mehr Effizienz? Die Übertragung von nutzergenerierten Inhalten, bessere Uplink- und Downlink-Verfahren? Vielleicht. Aber das ist alles nichts Neues. Bessere Dienste anzubieten kostet dem Provider Geld, und die Endkunden haben kein Interesse daran, mehr Geld auszugeben. Ein weiteres Problem ist, dass es für 4G so viele Definitionen gibt. Die einen meinen damit das Spektrum, die anderen die Technik."
Sonntagabend in Radio Ö1
Mehr zu LTE und seinem Konkurrenten mobiles Wimax können Sie am Sonntag, dem 6. Juli 2008, um 22.30 Uhr im Ö1-Netzkulturmagazin "Matrix" hören.
Die Kosten
LTE baut zwar auf der aktuell laufenden dritten Generation drahtloser Kommunikation, kurz 3G auf, aber nicht alles bleibt deswegen gleich. Zwar kann viel von der Technik des alten Netzwerks weiterhin verwendet werden, aber das "radio access network", das Zugangsnetzwerk, muss verändert werden. Und das, so Gerhard Fettweis, verursache bei einem "Roll out" 80 Prozent der Kosten. Die vorhandenen Antennen könnten zum Beispiel nur zum Teil weiter verwendet werden.
Die Kosten, die daher für den Generationswechsel im Mobilfunk anfallen, beziffert Gerhard Fettweis für ein Land wie Deutschland mit insgesamt drei bis fünf Milliarden Euro. Nicht mit eingerechnet sind dabei die Lizenzgebühren für die benötigten Frequenzen. Dass es dabei wieder zu kostentreibenden Auktionen kommen wird, ist anzunehmen.
In den Vereinigten Staaten wechselten vor kurzem bei der Versteigerung des 700-MHz-Frequenzbandes 20 Milliarden US-Dollar den Besitzer. Das entspricht im Grunde den Einnahmen, die in den USA auch 2001 bei den Versteigerungen für die dritte Generation in die Staatskassa geflossen waren.
Die mobilkom und Nokia Siemens Networks haben Anfang Mai in Wien das Mobilfunknetz der nächsten Generation vorgestellt. Der Breitbanddienst Long Term Evolution [LTE] soll Datentransfers mit mehr als 100 MBit/s schaffen. Auf welchen Frequenzen er funken wird, steht noch nicht fest.
Probleme mit der Effizienz
Trotzdem gibt sich Gerhard Fettweis überzeugt, dass alle Beteiligten aus der Geschichte etwas gelernt hätten: "Im Fall von UMTS hat ein Hertz Bandbreite den Provider ungefähr 1.000 Euro gekostet. Und damit kommen wir zum nächsten großen Punkt: der Spektraleffizienz. Wenn wir jetzt ein bit/s übertragen wollen, dann beträgt bei GSM die Spektraleffizienz nur 0,1. 0,1 oder zehn Prozent heißt, dass wir zehn Hertz kaufen müssen, um ein bit/s zu übertragen. Will ich 100 Megabit übertragen, dann brauche ich nicht 100 Megahertz, sondern ein Gigahertz. Das entspricht einem Giga Euro." Beim derzeitigen Stand der Technik wären das eine Billion Euro an Lizenzgebühren, so Fettweis.
Ein derartiges Zahlenspiel kann niemand gutheißen. Mit dem Forschungsprojekt Easy-C wurde zwar bereits belegt, wie sich die Spektraleffizienz gegenüber UMTS verdoppeln lässt, aber trotzdem würden damit bei einer Übertragung von 100 Megabit/s Lizenzgebühren in der Höhe von 10 Milliarden Euro anfallen, rechnet Gerhard Fettweis weiter vor.
Hoffen auf staatliche Milde
Wann LTE, die europäische Version von 4G, auf dem Markt kommt, hängt daher auch davon ab, wie gut es die Staaten mit ihren Providern meinen, und wie viele von ihnen auf eine Auktion verzichten und lieber einen "Schönheitswettbewerb" veranstalten. In den Jahren 2000 und 2001 waren nur wenige Staaten dazu bereit.
UMTS wurde damals zum Lieblingskürzel so mancher Finanzminister, und einige nannte es bereits scherzhaft "unerwartete Mehreinnahmen für trostlose Staatskassen".
Am billigsten sind die Provider damals übrigens bei der Auktion in Österreich weggekommen. Die ging nicht nur als die billigste [832 Million Euro], sondern auch als die am schnellsten abgewickelte in die Geschichte des Mobilfunks ein.
(matrix | Mariann Unterluggauer)