"Telekompaket" aus österreichischer Sicht
Wie aus 1.300 Änderungsanträgen 30 wurden, was da nun wirklich im "Telekompaket" beschlossen wurde und wie österreichische Abgeordnete dreier Fraktionen den Ausgang des Abstimmungsmarathons kommentieren.
Am Tage nach der Abstimmung über das so genannte "Telekompaket" herrschte im Büro des EU-Abgeordneten Hannes Swoboda ziemliche Hektik.
Zum einen muss der genaue Wortlaut von gut 30 Änderungsanträgen ["Amendments"] zum Richtlinienentwurf, die von ursprünglich 1.300 übriggeblieben waren, überprüft werden.
Mal links, mal rechts der Mitte
Anders als die Gesetze im Nationalrat hierzulande, werden in Brüssel Verordnungen und Richtlinienentwürfe nicht en bloc, sondern Absatz für Absatz abgestimmt.
Mal gibt es eine Mehrheit links, dann wieder rechts der Mitte. So war es auch am Montag Abend, als das Telekompaket parallel durch den Industrie- und den Binnenausschuß ging.
Am Ausarbeiten
"Die Ergebnisse werden noch ausgearbeitet" heißt es von der Abgeordneten Karin Resetarits [Liberale Fraktion], klar sei, "die radikalsten Änderungsanträge wurden abgelehnt."
Gemeint sind damit jene "Amendments", in denen von den Internet-Providern Totalüberwachung ihrer Netze gefordert wurde, um den Tauschbörsenverkehr zu überwachen.
"Radikale Spyware-Verpflichtungen"
Wie alle anderen beraten die Liberalen, mit welchen Änderungsanträgen sie leben können und welche bei der Plenar-Abstimmung im September nicht mitgetragen werden.
"Berücksichtigt werden bei unseren Beratungen sicher auch die vielen engagierten E-Mails der Bürger und der NGOs, die einen nicht beschränkten Internetzugang wünschen und sich gegen radikale Spyware-Verpflichtungen wehren", schrieb Resetarits an ORF.at.
Aufpassen vor Trojanern
Ganz ähnlich sieht das die Grüne Abgeordnete Eva Lichtenberger, die es als "momentane Hauptarbeit" bezeichnet, herauszubekommen, was bestimmte Begriffe bezeichnen. "Man muss aufpassen, dass da kein Trojaner über ein Amendment ins Telekompaket hereinreitet."
Gemeint ist der "Kompromiss Nummer sechs" der in Zusammenhang mit der Sorgfaltspflicht für Internet Provider unter anderem den Begriff "lawful content" benützt.
Warnung vor Generalverdacht
Um festzustellen ob da gesetzeskonforme Daten transportiert werden, müsse der Provider ja erst wieder den gesamten Datenstrom kontrollieren, sagte Lichtenberger und warnte vor "einem Generalverdacht bei viel Datenverkehr". Da könne schließlich jedes Grafikbüro oder Home Office betroffen sein.
Ansonsten sei es wie immer. "Die Parlamentarierer haben sich mit der Materie nun vertraut gemacht und werden sich langsam bewusst, was da läuft."
Keine "massiven Maßnahmen"
Hannes Swoboda liest den genannten Paragrafen etwas anders. "Hinsichtlich der inhaltlichen Verantwortlichkeit der ISPs spricht der abgestimmte Bericht nur von "promotion of lawful content", das heißt, die ISPs werden nicht für den Inhalt ihrer Kunden zur Verantwortung gezogen, schrieb der Abgeordnete an ORF.at
Es sei "keineswegs der Wille der sozialdemokratischen Fraktion im Europäischen Parlament, dass massive Maßnahmen wie das Kappen der Verbindung etc. bei Urheberrechtsverletzungen oder bei nicht rechtmäßigen Inhalten vorgenommen werden."
Die entsprechenden Anträge seien im federführenden Ausschuss auch abgelehnt worden, so Swoboda weiter.
Netzneutralität nicht in Frage gestellt
"In diesem Zusammenhang möchte ich klarstellen, dass die Netzneutralität keinesfalls in Frage gestellt wird. Der Kompromissänderungsantrag Nr. 5 sagt klar, dass es 'keine Restriktionen oder Verzerrungen beim Netzzugang oder bei der Leistung von Netzdiensten geben darf."
Der Grund, warum es in Swobodas Büro am Dienstag nachmittag hörbar hektisch zuging, war, dass dieses massive "Telekompaket" bei weitem nicht der einzige Brocken war. Bis Donnerstag wird in Strassburg permanent abgestimmt, unter anderem über die Neuregelung des Gasbinnenmarkts.
Swoboda ist dabei so genannter Schattenberichterstatter, das heißt er war bei allen Ausschussitzungen dabei und hat über die Richtlinenwerdung laufend an seine Fraktion berichtet.
ORF.at hat auch beim Abgeordneten Othmar Karas [EVP-Konservative] angefragt, um seine Sicht des Telekompakets darzulegen. Sobald das Statement eingetroffen ist, wird es hierzuorts nachgereicht.
(futurezone | Erich Moechel)