EU-Schutzfristen vor Verlängerung

Urheberrecht
15.07.2008

Die EU-Kommission berät am Mittwoch über die Verlängerung der Schutzfristen für Tonaufnahmen von 50 auf 95 Jahre.

Im Februar kündigte EU-Binnenmarktkommissar Charlie McCreevy an, die Schutzfristen für Tonaufnahmen in der EU um 45 Jahre verlängern zu wollen. Am Mittwoch steht das Thema auf der Agenda der EU-Kommission. Stimmt die Kommmission McCreevys Vorschlag zu, dann würden Tonaufnahmen künftig in Europa ebenso lange geschützt sein wie in den USA, nämlich 95 Jahre.

Geteilte Meinungen in der Kommission

In der EU-Kommission stößt McCreevys Vorschlag offenbar nicht auf ungeteilte Zustimmung. Wie die "Financial Times" berichtete, haben die EU-Kommissare Viviane Reding [Informationsgesellschaft und Medien] und Antonio Tajani [Verkehr] Vorbehalte gegen eine Schutzfristenverlängerung.

Diese könnten sich jedoch durch Konzessionen bei der Frage der Vergabe von Musiklizenzen, die ebenso am Mittwoch in der EU-Kommission behandelt wird, ausgeräumt werden, vermutete die Zeitung unter Berufung auf mit der Situation vertraute Personen.

Einnahmenverluste

McCreevy mahnte bereits im Februar, dass Tausende europäische Künstler, die in den 50er und 60er Jahren Tonträger aufnahmen, schon bald ihre Lizenzeinnahmen verlieren könnten.

Auch die europäische Musikindustrie macht sich seit Jahren für eine Verlängerung der Schutzfristen stark. Frühe Aufnahmen prominenter Bands und Musiker - darunter die Beatles, Cliff Richard und die Rolling Stones - würden nach der derzeit geltenden Regelung, die eine Schutzfrist von 50 Jahren für Tonaufnahmen vorsieht, schon bald keine Lizenzeinnahmen mehr abwerfen.

"Kotau an die Tonträgerindustrie"

Eine Verlängerung der Schutzfristen würde nur multinationalen Musikkonzernen zugute kommen, die auf umfangreichen Back-Katalogen sitzen, meinen hingegen Kritiker.

Die Schutzfristenverlängerung würde Kreativität und Innovation in Europa irreperablen Schaden zufügen, kritisierten europäische Urheberrechtsexperten in einem offen Brief an EU-Kommissionspräsidenten Jose Manuel Barroso im Juni und warnten die Kommission vor einem "Kotau an die multinationale Tonträgerindustrie".

Der Zugang zu historischen Tonaufnahmen würde durch längere Schutzfristen erschwert, die Endverbraucherpreise für Musik würden steigen und auch die Handelsbilanz der EU würde sich verschlechtern, da die Lizenzaufnahmen zu großen Teilen Rechteinhabern in den USA zu gute kommen.

Online-Petition

Die Initiative Sound Copyright macht gegen die Ausweitung der Schutzfristen von Tonaufnahmen in einer Online-Petition mobil.

In Großbritannien abgelehnt

Der Kommissionsvorschlag müsste noch vom EU-Rat und vom EU-Parlament abgesegnet werden. Das EU-Parlament hatte sich bei einer Abstimmung zum Kulturwirtschaftsbericht bereits einmal gegen eine Verlängerung der Schutzfristen ausgesprochen.

Auch die britische Regierung erteilte im vergangenen Juli einer Forderung der Musikindustrie nach einer Verlängerung der Schutzfristen eine Absage.