E3: Business killt Innovation
Die E3 in Los Angeles ist vorüber. Die Branche boomt, doch Innovationen muss man mit der Lupe suchen. Warum eigentlich? Ein Kommentar von Anatol Locker.
Teil 2, Teil 3, Teil 5, Teil 13: 2008 zeigten sich Spielefirmen nicht gerade von ihrer innovativen Seite. Auf der E3-Messe wurden hauptsächlich Fortsetzungen altbekannter Spieleserien mit besserer Grafik gezeigt - Neuerungen gab's kaum. Warum, meckern viele Gamer, gibt es immer nur Aufgüsse altbekannter Spieleprinzipien?
Die Antwort ist simpel: Es geht nicht ums Spielen, sondern ums Geschäft. Seit das Games-Business in den USA mehr Umsatz generiert als Hollywood und DVD-Verkäufe, lenken Manager und Finanzinvestoren die Branche.
Ergo wird produziert, was US-amerikanische Besucher gerne sehen: markige Multiplayer-Shooter, bildschirmfüllende Explosionen, halboffene Schädel und andere Brutalitäten, die der Volksseele offensichtlich irgendwie guttun. Der Rest der Welt spielt brav mit.
Lauscht den geklonten Gitarren
Und während in Europa immer noch über die Kulturwürdigkeit von Spielen diskutiert wird, sahnen in den USA die großen Spielefirmen ab. Wie das am besten funktioniert, hat Electronic Arts jahrelang vorgemacht: mit enervierender Stetigkeit bei minimaler Innovationskraft.
Man nehme eine große Marke wie "FIFA" oder "Die Sims", hänge die aktuelle Jahreszahl oder die nächste Nummer an und packe gerade so viel Neues ins Spiel, dass der Spieler nicht das Gefühl hat, das Vorjahresspiel noch mal gekauft zu haben. Mit dem Merger von Activision und Blizzard entstand nun eine weitere Megafirma, die Spieler wohl so lange mit "Guitar Hero"-Spielen versorgen wird, bis keiner mehr eine Gitarre sehen kann.
Kindergarten für Erwachsene
Auch Nintendo melkt kräftig seine lukrativen Casual-Games-Ideen. Eine bunte Wii-Sports-Fortsetzung, ein freundliches Musikspiel, eine putzige kleine virtuelle Stadt mit niedlichen kleinen Figuren: Nintendo ist knuddelig genug, um Mickey Mouse in den Köpfen amerikanischer Kinder auf den hintersten Platz zu verbannen.
Auch hier gilt: nur keine Experimente - die verkaufen sich nicht. Und so ähnelte die Pressekonferenz einer euphorischen Kindergartenveranstaltung, auf der lauter gute Freunde zum Schluss happy miteinander musizieren.
Wer also glaubt, auf der anstehenden Games Convention würden echte Neuheiten gezeigt, muss sich mit dem Gedanken anfreunden: Das wird nix. Denn erst werden Spiele verkauft. Und erst dann, wenn sie aus Langeweile keiner mehr kauft, wird über neue Spieleinhalte nachgedacht.
Europa außen vor?
Was der PC nie geschafft hat, haben Konsolen fest im Griff: 2008 bauen Xbox & Co. ihren Vorsprung als Media-Center fürs Wohnzimmer kräftig aus. Sonys Ankündigung, ebenfalls ein komplettes Kino und TV-Serienprogramm für PS3 anzubieten, passt da gut ins Bild. Mit Apple TV und Xbox 360 stehen jetzt in den USA drei gut funktionierende Systeme zur Wahl.
Das Streamen von Kinofilmen und TV-Serien bringt Konsolenherstellern und Hollywood-Studios maximalen Umsatz mit minimalem Aufwand. Erstaunlich nur, dass man am weltweiten Umsatz so wenig interessiert ist: Der europäische Xbox-360-Store bemüht sich seit Monaten um ein umfassendes Angebot und bietet außer alten Filmen recht wenig. Und als vor wenigen Tagen in den USA das neue Videoangebot für die PlayStation 3 startete, war im europäischen Store kein einziger Film zu sehen. Peinlich? Aber sicher!
Wie immer hakt es an den verworrenen internationalen Rechten, an die sich anscheinend kein Jurist herantraut. Solange kein Studio die Chuzpe hat, diesen gordischen Rechtemanagement-Knoten zu zerschlagen, werden die Kunden maximal mit uralten Kinokamellen abgespeist. Sicher gibt es genug Kunden, die gerne für die neusten TV-Serien zahlen würden. Doch wenn es in Zeiten der vernetzten Spielekonsolen immer noch die Bevormundung durch Ländercodes gibt, sollte sich keine Filmfirma wundern, dass ihre potenziellen Kunden scharenweise in die Tauschbörsen abwandern.
(Anatol Locker)