Online-Durchsuchung nicht "belastbar"

deutschland
18.07.2008

Der scheidende deutsche Verfassungsrichter Wolfgang Hoffmann-Riem hat den Sicherheitsapparat der Bundesrepublik scharf kritisiert. Die Regierung erteile Experten Maulkörbe, um die Erfolglosigkeit immer neuer Sicherheitsmaßnahmen zu verschleiern.

Hoffmann-Riem warf den Regierungen in Bund und Ländern mangelhafte Information über den angeblichen Nutzen immer neuer Sicherheitsgesetze vor.

"Belastbare Angaben" vermisst

Es wäre "hilfreich", wenn die Verantwortlichen dem Bundesverfassungsgericht belastbare Angaben zur Eignung neuer Fahndungsinstrumente zugänglich machten und nicht "mauerten", wie das in der Verhandlung zur Online-Durchsuchung geschehen sei.

Das sagte der kürzlich ausgeschiedene Richter am Freitag in Karlsruhe in einer Feierstunde des Gerichts. Denn Freiheitsbeschränkungen müssten durch einen "hinreichenden Gewinn an Sicherheit" aufgewogen werden.

Regierung verschleiert Nutzlosigkeit

Hoffmann-Riem, unter dessen Federführung das Gericht zahlreiche Sicherheitsgesetze beanstandet hat, erinnerte an die Anhörung zur Online-Durchsuchung im Oktober 2007. Schon auf die ersten Fragen nach dem Nutzen der Maßnahme habe der Prozessvertreter der Bundesregierung auf die höchst eingeschränkten Aussagegenehmigungen verwiesen, an die sich die Präsidenten des Bundesamts für Verfassungsschutz, des Bundeskriminalamts und des Bundesamts für Sicherheit und Informationstechnik zu halten hätten.

Diese "Maulkörbe", so Hoffmann-Riem, könnten auch die Schlussfolgerung nahelegen, man habe lediglich eine Bloßstellung vermeiden und den "Befund der relativen Erfolglosigkeit" überspielen wollen. "Wollen Regierung und Parlament die Freiheit der Bürger im Interesse ihrer Sicherheit einschränken, haben sie eine Bringschuld, dass der Eingriff in die Freiheit durch einen hinreichenden Gewinn an Sicherheit aufgewogen wird", sagte der 68-jährige Jurist.

Politik der Bedrohung

Derzeit sei die Politik nicht bereit, dieser Bringschuld hinreichend nachzukommen. Das immer neue Ausmalen der Bedrohungssituation genüge nicht, denn Bedrohungen rechtfertigten nur Gegenmaßnahmen, die auch wirklich Erfolg versprächen: "Alles andere wäre Symbolhandeln oder - noch problematischer - Ausdruck einer überzogenen Sicherheitsgesetzgebung."

(dpa)