Provider beugen sich der Medienindustrie
Sechs britische Provider haben sich dem Druck von Regierung und Medienindustrie gebeugt und sich verpflichtet, Mahnbriefe an Kunden zu verschicken, die verdächtigt werden, Urheberrechtsverletzungen begangen zu haben.
Wie die BBC am Donnerstag berichtete, haben die britischen Internet-Anbieter British Telecom, Virgin, Orange, Tiscali, BSkyB und Carphone Warehouse ein Abkommen unterzeichnet, das sie dazu verpflichtet, Warnbriefe an Nutzer zu verschicken, die im Verdacht stehen, Urheberrechtsverletzungen im Netz begangen zu haben.
Das Abkommen, wurde auf der anderen Seite von der britischen Musiklobby BPI und der US-Filmindustrieorganisation Motion Picture Association of America [MPAA] sowie dem britischen Wirtschaftsministerium unterzeichnet und soll zunächst für drei Monate gelten.
Vorerst keine Sanktionen
Die Warnschreiben sollen dazu dienen, Urheberrechtsverletzungen im Netz "signifikant" zu reduzieren, so die BBC. Sanktionen gegen Nutzer, die nicht lizenzierte, urheberrechtlich geschützte Inhalte aus Tauschbörsen herunterladen oder zur Verfügung stellen, soll es vorerst jedoch keine geben.
Laut einer in britischen Medien zitierten Studie des Beratungsunternehmens Entertainment Media würden 70 Prozent der Nutzer, die im Netz Urheberrechtsverletzungen begehen, diese unterlassen, nachdem sie einen Brief von ihrem Provider erhalten haben.
BT und Virgin haben schon vor einigen Wochen damit begonnen, ihre Kunden auf Zuruf der Medienindustrie anzuschreiben.
"Three Strikes Out" umstritten
Die BPI will infolge auch, dass in Großbritannien ein "Three Strikes Out"-System nach französischem Vorbild installiert wird, bei dem wiederholte Urheberrechtsverletzungen mit der Sperre des Internet-Zugangs geahndet werden.
Laut BBC haben die teilnehmenden Provider allerdings nicht vor, ihren Kunden die Anschlüsse zu kappen.
Regierung für Download-Abgabe offen
Musikwirtschaft und Internet-Anbieter sollen nach dem Willen der britischen Regierung auch gemeinsam Online-Musikangebote entwickeln.
Der "Independent" berichtete, dass die Regierung einem Vorschlag positiv gegenüberstehe, eine jährliche Gebühr in Höhe von 20 bis 30 Pfund einzuführen, welche die Provider optional für den Download und Tausch von Musik im Netz einheben sollen. Das Geld solle den Rechteinhabern zukommen und auch über Mechanismen, die den Verwertungsgesellschaften ähneln, an Künstler ausgeschüttet werden.
Laut Kulturminister Andy Burnham würde dies verhindern, Tauschbörsennutzer zu kriminalisieren. Der britische Musikmanager Peter Jenner bezifferte gegenüber der Zeitung die so erwarteten Einnahmen mit 1,2 Milliarden Pfund, so hoch wie der derzeitige Gesamtumsatz der britischen Tonträgerindustrie.
Gesetzesvorschlag in Arbeit
Das Thema Filesharing wird die Briten aber weiterhin beschäftigen, denn die Medienindustrie sieht die Schreiben nur als ersten Schritt und die Regierung erhöht den Druck auf die Provider weiter.
Das Branchen-Weblog PaidContent berichtete, dass die britische Regierung auch an einem Gesetzesentwurf arbeite. Dieser könne sowohl eine Kopierabgabe als auch einen Filterzwang für die Provider sowie die Sperre des Netzzugangs für wiederholte Urheberrechtsverletzungen beinhalten.
"Three Strikes Out" für alle
Beim Umsetzen der Pläne hat die britische Regierung jedoch ein Problem. Wie die britische Politologin und Industriebeobachterin Monica Horten am Donnerstag auf ihrer Website schreibt, verstoßen die "Three Strikes Out"-Pläne derzeit noch gegen EU-Recht.
Dies wiederum möchte die Industrielobby derzeit über die Neuordnung des EU-Telekom-Markts ändern - "Three Strikes Out" steht nach wie vor im Vorschlag für die Universaldiensterichtlinie des federführenden Konsumentenschutzausschusses des EU-Parlaments. Dessen Berichterstatter Malcolm Harbour [Konservative] stammt aus Großbritannien.
Das Telekompaket soll nach derzeitigem Stand am 2. September im EU-Parlament diskutiert werden. Die Abstimmung ist für den 22. September angesetzt. Auch die französische EU-Ratspräsidentschaft unter Präsident Nicolas Sarkozy drängt machtvoll darauf, "Three Strikes Out" über den Umweg der EU im eigenen Land legalisieren zu lassen.