Absage an Tauschbörsen-Warnschreiben
Österreichische Internet-Anbieter lehnen Warnschreiben an Kunden, denen von der Unterhaltungsindustrie Urheberrechtsverstöße im Netz vorgeworfen werden, ab. Die Musikwirtschaft drängt auf eine Partnerschaft mit den Providern - auch bei neuen Geschäftsmodellen.
"Wir haben Nachricht darüber erhalten, dass über einen Computer, der mit Ihrem Internet-Account in Verbindung steht, urheberrechtlich geschützte Musik heruntergeladen und zur Verfügung gestellt wurde, ..." Solche und ähnliche Schreiben ihrer Internet-Provider könnten künftig Hunderttausenden britischen Breitbandnutzern ins Haus flattern, deren IP-Adressen von der Unterhaltungsindustrie im Zusammenhang mit Urheberrechtsverletzungen in Online-Tauschbörsen erhoben wurden. Unter dem Druck der britischen Regierung einigten sich am Donnerstag britsche Internet-Anbieter mit Medienindustrieverbänden auf derartige "Erziehungsmaßnahmen" ihrer Kunden.
Heimische Internet-Anbieter wollen davon nichts wissen. Kurt Einzinger, Generalsekretär des Verbandes der österreichischen Internet-Anbieter ISPA, hält solche Schreiben für problematisch: Die Provider könnten nicht wissen, ob die Vorwürfe der Rechteinhaber auch stimmen würden, sagte Einzinger zu ORF.at. Wenn etwas vorliege, könne die Musikindustrie ohnehin rechtliche Mittel ergreifen. Liege nichts vor, sei auch eine Warnung nicht angebracht.
IFPI sucht Partner
Es könne nicht die alleinige Aufgabe der Musik- und Filmbranche sein, für den Schutz ihres Contents im Internet zu sorgen, meinte hingegen Franz Medwenitsch, Geschäftsführer des Verbandes der österreichischen Musikwirtschaft IPFI-Austria: "Auch die Provider tragen Verantwortung, denn sie profitieren auch wirtschaftlich davon." Die IFPI strebe daher eine "Partnerschaft zwischen Content-Wirtschaft und Provider-Wirtschaft" an, so Medwenitsch zu ORF.at.
Das britische Modell
In Großbritannien sollen in einem zunächst für drei Monate anberaumten Testlauf Internet-Anbieter ihre Kunden verwarnen, wenn ihnen von der Unterhaltungsindustrie Urheberrechtsverletzungen vorgeworfen werden. Parallel zu der Vereinbarung zwischen Providern und Industrieverbänden leitete das britische Department for Business Enterprise & Regulatory Reform [BEER] eine Konsultation ein, bei der unter Federführung der britischen Medienaufsichtsbehörde Ofcom gesetzliche Maßnahmen gegen Urheberrechtsverstöße in Online-Tauschbörsen vorbereitet werden sollen.
Vorstufe zu "Three Strikes Out"
Beobachter sehen in den Warnschreiben der britischen Internet-Anbieter auch eine Vorstufe zur Einführung von Internet-Sperren nach französischem Vorbild. In Frankreich soll schon bald Nutzern, die bei Urheberrechtsverletzungen im Netz ertappt wurden, nach dreimaliger Verwarnung die Leitung gekappt werden ["Three Strikes Out"].
Medwenitsch kann sich auch in Österreich solche Internet-Sperren "natürlich vorstellen". Die Sperre des Internet-Accounts nach drei Warnbriefen sei sinnvoller als gerichtliche Strafen, meinte der IFPI-Geschäftsführer, der auf eine freiwillige Partnerschaft mit den Providern im Kampf gegen Urheberrechtsverletzungen, aber vor allem beim Erarbeiten neuer Geschäftsmodelle hofft.
"Verfügen über Expertise"
Die Notwendigkeit von Filtermechanismen und Netzüberwachung durch die Provider sehe er bei einem solchen Modell nicht. Der Nachweis der Urheberrechtsverletzung könne von der Content-Industrie erbracht werden, so Medwenitsch: "Wir haben in über 800 Fällen von illegalem Filesharing bewiesen, dass wir über diese Expertise verfügen."
Die Prozedur solle von einer staatlichen Instanz beaufsichtigt werden. In Österreich käme dafür etwa die Regulierungsbehörde RTR in Frage, so Medwenitsch.
Die IFPI gehe von "einem weiten Kreis von rund 100.000 Personen und einem deutlich kleineren harten Kern notorischer Raubkopierer" aus, die in Österreich Urheberrechtsverletzungen im Netz begehen. "Statistiken zu Urheberrechtsverletzungen sind schwierig, weil es kaum jemand zugibt", sagte Medwenitsch.
"Nicht vorstellbar"
Die heimischen Internet-Anbieter hatten Vorstöße der Lobbyisten der Medienindustrie zu Internet-Sperren nach Urheberrechtsverletzungen ebenso wie Datenschützer und Bürgerrechtsorganisationen in der Vergangenhiet mehrfach abgelehnt.
Das sei aus Sicht der österreichischen Provider nicht vorstellbar, bekräftigte Einzinger: "Wir wollen nicht Richter spielen."
Tatsächlich sind in den diversen legistischen Vorleistungen für ein solches Modell, die derzeit auf EU-Ebene vorbereitet werden durchaus Filter- und Überwachungsmaßnahmen im Internet vorgesehen.
Zuckerbrot und Peitsche
Geht es nach dem Wunsch von Medwenitsch, so soll eine Zusammenarbeit mit den Providern nicht nur abschreckende Maßnahmen gegen Urheberrechtsverstöße sondern auch gemeinsame Geschäftsmodelle umfassen.
So plant die IFPI etwa ein von Providern, Werbegeldern oder Sponsoren finanziertes Flat-Fee-Modell, dass für Endnutzer kostenlos ein soll. Die Idee sei bei einigen österreichischen Internet-Anbietern auf großes Interesse gestoßen, sagte Medwenisch.
Ähnliche Modelle sind derzeit weltweit in Diskussion und wurden in einigen Ländern bereits umgesetzt. In Dänemark bietet etwa der Internet- und Mobilfunkanbieter TDC seinen Kunden seit Anfang April kostenlos Musik zum Netzzugang. Der Mobiltelefonhersteller Nokia will künftig Handykäufer mit Gratis-Musik-Downloads locken.
"Tabus gibt es keine mehr"
Auch weitere Modelle seien möglich, so der IFPI-Geschäftsführer. "Unser Geschäftsmodell sieht ein kostenfreies Basismodell, kombiniert mit einem kostenpflichtigen Premiumpaket vor. Aber die Suche nach neuen Geschäftsmodellen ist nie abgeschlossen, und Tabus gibt es dabei keine mehr", sagte Medwenitsch.
Einzinger zeigte sich möglichen neuen Geschäftsmodellen der Musikwirtschaft beim Online-Vertrieb gegenüber aufgeschlossen. Wenn aber die Nutzer ein vernünftiges Service bekommen, ließe sich über eine Zusammenarbeit reden, sagte der ISPA-Generalsekretär.
(futurezone | Patrick Dax)