Die Rückkehr des Mixtapes
Der US-Musikdienst Muxtape reduziert Playlisten im Internet auf das Wesentliche: zwölf Songs pro Nutzer. Mehr geht nicht. So lebt das klassische Mixtape in virtueller Form wieder auf.
Muxtape empfängt seine Besucher nicht zufällig mit dem Bild einer Audiokassette: Die 1963 von Philips auf den Markt gebrachten Leerkassetten ermöglichten es einer breiten Masse von Leuten erstmals, Musik aufzunehmen, sie an Freunde weiterzugeben oder sich einfach einen Soundtrack für den Alltag zusammenzustellen.
Im Gegensatz zum Brennen auf CD-R und zum Musiktausch im Internet, die das Mixtape sukzessive ablösten, wurden beim Erstellen eines analogen Mixtapes keine Files hin und her geschoben. Platten wurden durchgehört, Songs auf ihre Tauglichkeit überprüft. Das Aufnehmen dauerte einfach seine Zeit und war schon darum Herzenssache.
Zwölf Songs
Muxtape knüpft an den Minimalismus des klassischen Mixtapes an. Lediglich zwölf Songs können pro Nutzer auf den Dienst geladen und im Netz gestreamt werden. Andere Features gibt es nicht.
"Persönliche Kassetten-Mixtapes waren lange vor dem Internet eine großartige Möglichkeit, neue Musik zu entdecken", sagte Muxtape-Gründer Justin Ouellette dem Wired-Blog Listening Post: "Diese Erfahrung wollte ich mit Muxtape wiederaufleben lassen."
Das scheint Oullette gelungen zu sein. Mittlerweile zählt der Ende März dieses Jahres gestartete Playlist-Sharing-Dienst Hunderttausende Nutzer und erlebte wegen des großen Ansturms bereits einen Server-Absturz.
Pro Nutzer ist auf Muxtape das Anlegen einer Playlist erlaubt. Nach Möglichkeit sollte darin nicht mehr als ein Track pro Band/Musiker und Album enthalten sein. Musik-Files können nur im MP3-Format gepostet werden. Das Upload-Limit pro Song beträgt 24 MB. Zur Registrierung ist die Angabe einer E-Mail-Adresse erforderlich.
Interface für Musik
"Die Playlist stellt ein einfaches Interface für die Unmenge von Musik dar, die heute im Netz erhältlich ist", sagt David Jennings, Autor des Buches "Net, Blogs & Rock 'n' Roll" und Experte für Musikempfehlungssysteme im Netz, zu ORF.at. Sie habe auch eine soziale Dimension, so Jennings: "Die Leute wollen mit anderen teilen, was ihnen gefällt."
Natürlich würden Playlisten von Leuten auch dazu genutzt, um sich interessant zu machen: "Stereotyp gesprochen wollen etwa Buben Mädchen mit ihren Playlisten signalisieren, wie einfühlsam sie sind." Das Anhören von Playlists biete neben dem Entdecken neuer Musik auch Einblick in die Persönlichkeit der Playlist-Gestalter.
"Google des Playlist-Sharing"
Zahllose Online-Musikdienste, von Last.fm über Grooveshark, Jamendo und seeqpod bis hin zum iTunes Store setzen in der einen oder anderen Form auf automatisierte oder nutzergenerierte Playlists. Aber keiner tut das so konsequent wie Muxtape.
"Muxtape hat für das Playlist-Sharing im Netz bewirkt, was Google vor Jahren für die Internet-Suche getan hat", sagt Jennings, "es hat die Komplexität verringert und betont so das Wesentliche." Bei Muxtape könnten die Songs in den Playlisten der Nutzer in voller Länge angehört werden: "Darauf kommt es an."
Rechtliche Grauzone
Rechtlich befindet sich der Dienst damit allerdings in einer Grauzone. Denn Lizenzen für die zahlreichen urheberrechtlich geschützten Titel, die auf der Seite landen, gibt es vorerst nicht. Beanstandungen durch Rechteinhaber habe es schon gegeben, räumte Muxtape-Gründer Oullette gegenüber Listening Post ein. Andererseits bekomme er auch viele Anfragen von Plattenfirmen und Musikern, die ihre Musik auf Muxtape streamen wollen. Generell sei das Echo der Labels positiv, so Oullette.
Über ein Partnerprogramm mit dem Amazon MP3 Shop können die geposteten Songs gekauft werden und verschaffen Muxtape so erste Einnahmen.
Musik-Promotion
Unabhängige Labels nutzen Muxtape mittlerweile zur Promotion ihrer Acts, so etwa das legendäre US-Underground-Label Alternative Tentacles [Dead Kennedys] und das US-Indie-Label Asthmatic Kitty Records [Sufjan Stevens]. Auch das österreichische Label Konkord [unter anderem duo505 und hpstonji] stellt Neuveröffentlichungen auf Muxtape vor.
"Für uns als Label bringt es vor allem die Möglichkeit, unsere Musik international zu präsentieren", sagt Roman Mesicek, der bei Konkord für Kommunikation und Web verantwortlich ist.
Er hofft, durch die Label-Playlist auf dem Dienst die Musik der Konkord-Acts weiter verbreiten zu können. Muxtape sei nicht wie viele andere Angebote mit Features überladen, so Mesicek: "Die Nutzer konzentrieren sich auf das Wesentliche, nämlich die Musik, und hören deshalb vielleicht etwas genauer hin."
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(futurezone | Patrick Dax)