Österreich gut auf E-Voting vorbereitet

30.07.2008

Die österreichische Infrastruktur ist gut auf die Einführung von E-Voting-Systemen vorbereitet, so der erste "E-Voting Readiness Index" des Wiener Kompetenzzentrums E-Voting.CC. Nationalratswahlen via Internet sind trotzdem frühestens in zehn Jahren zu erwarten.

Am Mittwoch stellte die österreichische E-Voting-Forschungsgruppe Competence Center for Electronic Voting and Participation [E-Voting.CC] in Wien eine Studie vor, in deren Rahmen gemessen wurde, wie gut einzelne Staaten auf die Einführung elektronischer Wahlsysteme vorbereitet sind.

Untersucht wurden alle 27 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union sowie die USA, Russland, die Schweiz und Venezuela. Auf dem "E-Voting Readiness Index" [ERI] landete Österreich auf dem sechsten Platz hinter der Schweiz.

Spitzenreiter ist Großbritannien, gefolgt von den USA, Estland und den Niederlanden. Deutschland liegt auf Platz acht. Der ERI ist laut E-Voting.CC der weltweit erste Index, der die Bereitschaft von Staaten zur Einführung von E-Voting-Systemen misst.

IKT für Verwaltung und Verbraucher

Zu diesen Systemen zählt die Initiative auch den Einsatz von IKT zur Unterstützung verwaltungsinterner Prozesse bei Wahlen, etwa bei der Führung von Wählerregistern und bei der Errechnung der Wahlergebnisse.

Weiters ist zwischen elektronischen Wahlsystemen im Wahllokal [Wahlmaschinen] und Distanzwahlen via Internet zu unterscheiden. Hier haben die Autoren der Studie die Expertisen aus beiden Möglichkeiten berücksichtigt.

"Österreich hat sehr gute Voraussetzungen für die Einführung von Wahlen via Internet", so Robert Krimmer, Leiter von E-Voting.CC. "Die politische Stabilität ist hoch, die rechtlichen Voraussetzungen sind seit der Briefwahlnovelle 2007 gegeben, das Zentrale Melderegister [ZMR] bietet eine gute Datenbasis für die Wählerevidenz in den Gemeinden. Die Bürgerkarte ermöglicht die einwandfreie Authentifizierung."

Österreich ohne E-Voting-Erfahrung

Während in Österreich die Infrastruktur und die gesellschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen gut seien, habe es bis auf drei E-Voting-Versuche bisher noch keine konkrete Umsetzung der vorliegenden Konzepte gegeben.

Hier hofft Krimmer auf die Wahlen zur Österreichischen Hochschülerschaft 2009, die einen ersten echten Einsatz eines Internet-Wahlsystems bringen sollen. "Wissenschaftsminister Johannes Hahn hat sich klar dafür ausgesprochen, dass es bei den ÖH-Wahlen 2009 eine Möglichkeit zum Wählen übers Internet geben soll", so Krimmer. Durch die Nationalratswahl sieht er das Projekt nicht gefährdet. Die Führung der ÖH hat sich wiederholt gegen das Wählen via Internet ausgesprochen, auch der Datenschutzrat hat Skepsis angemeldet.

Internet-Nationalratswahl frühestens 2018

Für Robert Krimmer ergibt aber gerade bei den ÖH-Wahlen der Einsatz eines Internet-Abstimmungssystems Sinn. "Es ist eine gute Möglichkeit, die weit verstreute Wählerschaft zu erreichen", sagt Krimmer und weist auch auf Fernstudiengänge hin, die gar keine physische Anwesenheit der Studierenden mehr voraussetzten.

Erst wenn in Österreich drei oder vier rechtsgültige Wahlgänge mit Internet-Voting-Option, etwa bei ÖH- oder Kammerwahlen erfolgreich durchgeführt worden seien, könne man daran denken, ein solches System auch bei Nationalratswahlen zu verwenden. "Wenn alles optimal läuft, kann frühestens bei den übernächsten Nationalratswahlen, also ungefähr in zehn Jahren, mit der Einführung einer Internet-Wahloption gerechnet werden", so Krimmer. Um bei den Nationalratswahlen eine Internet-Wahloption einführen zu können, müsse allerdings vorher die Verfassung geändert werden.

Methodik der Studie

Gemessen wurde, inwieweit die jeweiligen Staaten in den vier Bereichen Gesellschaft, Politik, Gesetzgebung und Technologie auf E-Voting vorbereitet sind. Krimmer und Roland Schuster, Unternehmensberater und ebenfalls Mitglied der Initiative, haben dazu ein System entwickelt, das auf das Modell der US-Politologin Pippa Norris zur Messung des "Digital Divide" sowie ein Gewichtungsmodell zurückgreift, das die Wirtschaftsinformatiker Peter Stahlknecht und Ulrich Hasenkamp für die Erstellung von Kriterienkatalogen im Rahmen von IT-Ausschreibungen entwickelt haben.

So wurden die vier Hauptdimensionen in Subdimensionen und Einzelkritierien unterteilt, etwa wie weit die Trennung von Staat und Religion fortgeschritten ist und wie gut die Bevölkerung mit Internet-Anschlüssen und Rechnern versorgt ist. Die Daten wurden mit Unterstützung von Vertrauenspersonen in den untersuchten Ländern erhoben, deren Feedback in einer zweiten Runde von den Autoren der Studie nochmals geprüft wurde.

Sicherheit ausgeklammert

Nicht untersucht wurde im Rahmen der Studie hingegen, wie sicher die verwendeten Wahlsysteme in den jeweiligen Ländern sind. So konnte es auch passieren, dass die Niederlande einen recht hohen Wert im Ranking erreichten, obwohl dort in den vergangenen Jahren eine von Bürgerrechtlern und Hackern ausgelöste heftige Diskussion über die Verwendung von Wahlmaschinen tobte, die in der Entscheidung der Regierung gipfelte, dass die Niederlande nach mehreren Jahrzehnten von Wahlmaschinen-Verwendung nun wieder auf Papier wählen werden.

"Die Bürger haben festgestellt, dass die bisherigen Technologien nicht ausreichend sind und dass es möglich war, die Wahlmaschinen zu manipulieren", so Krimmer. Die Niederlande haben aber auch schon Internet-Wahlsysteme für die Verwendung durch Auslandsbürger eingesetzt.

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Die niederländische Organisation "Wir vertrauen Wahlmaschinen nicht" und der deutsche Chaos Computer Club haben nachgewiesen, dass die in den Niederlanden verwendeten Wahlcomputer der Firma Nedap leicht manipuliert werden können.

Die Nedap-Wahlmaschinen wurden in einer neuen Version trotzdem vom deutschen Bundesinnenministerium für die Verwendung bei Bundes- und Europawahlen zugelassen.

Kongress und Wettbewerb

Zum Verfall des Vertrauens der niederländischen Bürger in ihre Wahlmaschinen wird es auf der 3. internationalen E-Voting-Konferenz, die E-Voting.CC vom 6. bis 8. August in Bregenz veranstaltet, ebenso einen Vortrag geben wie über ein unter der Ägide der deutschen Gesellschaft für Informatik entwickeltes E-Voting-Schutzprofil, also einen Leitfaden, an den sich unabhängige Zertifikationsstellen beim Sicherheitscheck von E-Voting-Anwendungen halten können.

In Bregenz werden auch die Produkte der drei Finalisten des im Rahmen der Konferenz ausgeschriebenen Wettbewerbs für E-Voting-Systeme vorgestellt. Alle drei Systeme sind Open Source. Aus Österreich kommt der Beitrag von Daniel Ratzinger, der ein System geschrieben hat, bei dem sich die Wähler über TANs identifizieren. Gewählt werden kann via E-Mail oder SMS.

"Der Wettbewerb soll die Zivilgesellschaft dazu bringen, sich Gedanken über das Wählen via Internet zu machen", so Krimmer.

(futurezone | Günter Hack)