Die Festnetzmisere in Österreich

31.07.2008

Für kleinere Provider im Internet-Zugangs- und Telefoniebereich sind harte Zeiten angebrochen, eine Konsolidierung der Branche liegt in der Luft. Das "Besetztzeichen beim Fortschritt" ist nach Ansicht der Provider durch die Regulierungsbehörde hausgemacht.

"Es geht schon voran, aber halt sehr langsam. Die Zeiten werden härter." So charakterisiert Roland Türke, Präsident des Verbands der Internet-Service-Provider [ISPA], die gegenwärtige Situation im gesamten IT- und Telekomsektor Österreichs.

Gerade für einen Teil der kleineren, im Festnetzbereich aktiven Anbieter sei die Lage mittlerweile dramatisch.

Zum einen seien die Margen bei Internet-Zugängen seit Jahresbeginn tief gefallen, zum anderen stiegen die Kosten im Bereich Internet-Telefonie [VoIP] für diese Provider selbst gerade beträchtlich an.

Die Weiterleitung

Dabei handelt es sich um die "Interconnection-Fees", das sind jene Preise, die für die Weiterleitung von VoIP-Telefonaten zu in- und ausländischen Fest- und Mobilfunknetzen fällig werden.

Bis zu seiner Übernahme durch die Telekom Austria [TA] hatte der darauf spezialisierte Dienstleister eTel das Gros der heimischen Provider mit derartigen Zugängen versorgt - und das zu Preisen, die deutlich unter allen anderen Anbietern von Carrier-Vorleistungen lagen.

Die Kündigung

Die TA hat diese Verträge mittlerweile gekündigt, und auf die Provider kommen neben den laufenden auch noch beträchtliche Kosten für die Nummernportierung zu.

Für Oskar Obereder, Geschäftsführer des Providers Silver Server, der alleine über 5.000 VoIP-Rufnummern zu einem anderen Anbieter transferieren muss, ist es schlicht "unverständlich, dass ein derartiger Wachstumsmarkt nun von der Festnetzsparte der TA beerdigt wird".

TCP/IP und SS7

Warum diese Schnittstellen nicht von den Providern selbst betrieben, sondern einem Vorleistungsanbieter überlassen werden, ist schnell erklärt.

Während bei Internet-Providern das TCP/IP-Protokoll technische Grundlage ist, regiert in der Telekombranche ein "Signalling-System" [SS7], das radikal anders funktioniert. Techniker, die beides gut beherrschen, sind äußerst dünn gesät.

"Besetztzeichen beim Fortschritt"

Als Hauptgrund für die Misere ortet Obereder "falsche Signale des Regulators", die zu "einem hausgemachten Besetztzeichen beim Fortschritt führten".

Dazu gehörten sowohl die Genehmigung der eTel-Übernahme durch die TA als auch die Entscheidung der Regulierungsbehörde RTR, die Telekom Austria in Ballungsräumen nicht mehr als marktbeherrschend einzustufen und damit die Regulierung aufzuheben.

"Man bringt das Festnetz um"

Das "regulatorische Regime", Mobilfunkanbietern gestaffelt nach dem Zeitpunkt des Markteintritts höhere Terminisierungsgebühren zuzugestehen, habe Österreich in der Handy-Marktpenetration zwar europaweit an die Spitze gebracht, meint ISPA-Präsident Türke.

Die "Asymmetrie der Terminisierungsentgelte", dass nämlich für einen Anruf aus dem Festnetz auf ein Handy zehnmal mehr verrechnet wird, sei aber nicht nur "längst überholt", sondern gefährlich: "In Wirklichkeit bringt man das Festnetz damit um."

"Das Handtuch werfen"

Türke wie Obereder sind überzeugt, dass eine Konsolidierungswelle auf dem Provider-Markt bevorsteht oder bereits im Gange ist.

Wer ausschließlich Internet-Zugänge oder VoIP-Minuten in petto habe, aber keinerlei höherwertige Dienste wie etwa virtuelle VoIP-Telefonanlagen, "Managed Security" usw. anbieten könne, für den werde es schwierig bis unmöglich, zu bestehen. "Eine Anzahl kleinerer VoIP-Provider werden das Handtuch werfen", sagt Obereder.

Im Umbruch

Und nicht nur die. Wie sehr die gesamte Branche momentan im Umbruch ist, zeigen zwei prominente Abgänge der letzten Wochen.

Mitte Juli hatte Rudolf Fischer, Chef der Festnetzsparte der Telekom Austria, angekündigt, er werde den Konzern mit Ende August verlassen.

Die TA verliert nach übereinstimmenden Schätzungen pro Monat bis zu 20.000 Kunden vor allem an den Mobilfunk. Nur noch ein Viertel aller Gesprächsminuten wird nicht über Mobiltelefone abgewickelt.

Am Mittwoch wiederum gab Kurt Einzinger, Generalsekretär der ISPA Österreich sowie des europäischen Dachverbandes, bekannt, dass er seine Funktionen mit Oktober zurücklegen werde.

Bei den Zuwächsen im Festnetz-Breitband lag Österreich im Ranking EU-weit an letzter Stelle.

Mehr dazu lesen Sie im nächsten Teil der Serie, Anfragen bei der TA und mehreren Providern laufen.

(futurezone | Erich Moechel)