Deutsche umgehen chinesische Zensur
Der Umgang mit dem Internet ist für chinesische Bürger und westliche Nutzer unter den Bedingungen der "Great Firewall" gleichermaßen kompliziert. Der deutsche Olympische Sportbund umgeht die Blockade durch ein eigenes verschlüsseltes virtuelles Netzwerk - und stellt damit auch den Zugriff auf blockierte Websites sicher.
"Wir haben ein geschlossenes Informationssystem eingerichtet und sind meines Wissens das einzige Olympische Komitee, das für Athleten, Funktionäre, aber auch für Journalisten ein derartiges Service betreibt", sagte Gerd Graus, Pressesprecher des Deutschen Olympischen Sportbunds, den ORF.at am Donnerstag in Peking telefonisch erreichte.
Dabei handelt es sich um ein Intranet mit verschlüsseltem Zugang, also ein "Virtual Private Network", wie es auch Firmen betreiben.
Soziales Netzwerk
Das "Medianet Peking" enthält nicht nur alle für die Athleten relevanten Informationen über Quartiere, Wettkampforte usw., nach dem Muster Sozialer Netzwerke können von den Benutzern etwa auch selbst Gruppen zum Informationsaustausch gebildet werden.
Dieses Service, das sichere Kommunikation im weltweit wohl am stärksten überwachten Industriestaat ermöglicht, komme bei allen Beteiligten sehr gut an, sagte Graus zu ORF.at und betonte: "Wir stellen hier auch Informationen von Human Rights Watch oder Amnesty International hinein."
Infos über Menschenrechte
Da die Websites dieser Organisationen - wie auch jene des chinesischen Dienstes der Deutschen Welle - von China aus nicht zugänglich sind, sei das unerlässlich. Schließlich müssten Sportler wie Funktionäre über aktuelle Informationen zu Vorgängen in China informiert sein.
"Wie sollten sie sonst Fragen von Journalisten zur Menschenrechtslage beantworten können?", so Graus.
Keine Zensur bis jetzt
Da es sich um eine Internet-basierte Anwendung handle, sei es für die chinesischen Behörden natürlich möglich, den Zugang zu diesem Service ebenfalls zu blockieren.
Bis jetzt sei allerdings nichts zu bemerken gewesen, was in diese Richtung gehe, sagte Graus abschließend.
Blockade der Wikipedia
Ein ORF-Techniker, den wir ebenfalls am Donnerstag in Peking erreichten, bestätigte, dass gewisse Websites nach wie vor von Chinas Behörden gesperrt seien. Neben den oben genannte betreffe die Sperre auch die Wikipedia, die manchmal äußerst langsam, dann wieder gar nicht zugänglich sei, zwischendurch aber immer wieder funktioniere.
Ein Muster sei dabei nicht wirklich zu erkennen, jedenfalls seien jetzt aber deutlich mehr Websites zugänglich als noch vor zwei Jahren.
Die Österreicher
Sehr viele Chinesen würden sich mit Proxy-Servern behelfen, über die sie in China verbotene Inhalte abriefen, ergänzte ORF-Korrespondentin Cornelia Vospernik, die ebenfalls in Peking weilt.
Aus dem Pressezentrum in Peking wiederum war zu erfahren, dass sämtliche Internet-Verbindungen äußerst langsam vonstatten gingen.
Das Olympische Komitee Österreichs wiederum gab an, dass zwar Netzwerktechniker im Land seien, über eine ähnlich sichere Kommunikationsmöglichkeit wie die deutschen Kollegen verfüge man jedoch nicht.
Für Handys kein Entkommen
Trotz internationaler Proteste gegen die Internet-Zensur vor den Olympischen Spielen bleibt China bei seiner harten Linie, die - wie man sieht - längst nicht hunderprozentig effektiv ist.
Was die Mobilfunknetze betrifft, so gibt es für Sportler, Funktionäre und Journalisten freilich kein Entkommen.
Es ist davon auszugehen, dass geografische Bewegungen wie Telefonkontakte ausländischer Handys rund um die Uhr überwacht werden.
Europäisches Equipment
Das dafür nötige Equipment stammt in erster Linie von europäischen Firmen, nämlich von Ericsson und Nokia Siemens, den größten Ausrüstern der Telekomnetze Chinas.
2002 hatte Ericsson sein AsiaPacificLab, das bis dahin für die Entwicklung des Ericsson Intercept Management System [IMS] zuständig war, von Melbourne nach China verlegt.
Dort unterhält der weltgrößte Telekom- und Mobilfunkausrüster neben gut fünf Dutzend Joint Ventures, Tochterunternehmen und Niederlassungen auch mehrere Forschungs- und Entwicklungszentren.
Ericssons Beitrag zu den Spielen
Bei Ericssons IMS handelt es sich um ein umfassendes Überwachungssystem für Festnetz- und GSM-Telefonie, das an die im European Telecom Standards Institute [ETSI] entwickelten Überwachungsschnittstellen in Telefonienetzen aller Art andockt.
Laut dem Handbuch kann IMS "1 - n Law Enforcement Monitoring Facilities" [LEMFs], also beliebig viele Überwachungs- und Auswertungszentren parallel mit Verkehrsdatensätzen und Sprachtelefonaten, bedienen.
Das "ideale" Monitoring Center
Das "Siemens Monitoring Center" weist ganz ähnliche Features auf. "Das Monitoring Center von Nokia Siemens Networks ist ideal, um alle gängigen Technologien zu überwachen und jeden anderen Kommunikationstyp der nächsten Generation ebenso", preist der Hersteller sein System an.
Als zusätzliches Verkaufsargument gerade in totalitär regierten Staaten bietet Nokia Siemens zudem seine "Intelligence Platform" an, die das "Monitoring Center" integriert.
Die Region Asien-Pazifik
In einer Art Data-Warehouse für Geheimdienste werden von Verbindungsdaten aus Telefonienetzen und dem Internet - die nunmehr EU-weit vorgeschriebene Vorratsdatenspeicherung wird ganz oben angeführt - über Kreditkartenzahlungen und Banktransfers, Grundbuch, Kfz- und Melderegisterdaten bis hin zu Flugpassagier-, Fingerprint- und DNA-Informationen alle nur denkbaren Datensätze zusammengeführt.
Man vermarkte diese "Intelligence Solution" für Strafverfolger und Geheimdienste hauptsächlich im Nahen Osten, in der Region Asien-Pazifik und Europa, hieß es dazu von Nokia Siemens auf Anfrage von ORF.at.
(futurezone | Erich Moechel)