Synthesizer für Nintendos DS
Die Emulation des legendären Korg-MS-10-Synthesizers ist soeben in Japan erschienen - als Modul für die Spielekonsole Nintendo DS. Ein Praxistest mit nostalgischen Untertönen.
Auf der Frankfurter Musikmesse 2008 stellte Korg ein ungewöhnliches Experiment vor: Man zeigte die Umsetzung des Synthklassikers Korg MS-10 - für die tragbare Spielekonsole Nintendo DS. Korg vergab den Auftrag an AQ Interactive, eine japanische Videospielefirma, die bisher Rollenspiele und eine Tetris-Umsetzung für die Xbox 360 veröffentlicht hatte.
Nun ist das Modul in Japan für umgerechnet 30 Euro erschienen. Ein Europa-Start ist angekündigt, der genaue Termin steht aber noch nicht fest. Zwei Korg-MS-10-Synthesizer werden emuliert, außerdem eine vierspurige Drummachine, die keine Samples abspielt, sondern ebenfalls auf der MS-10-Klangerzeugung basiert.
Der DS10 im Einsatz.
Der Veteran
Moment: zwei Synthesizer plus Drummachine? Das gab es bereits 1997. Der ReBirth RB-338 aus dem schwedischen Software-Haus Propellerheads darf für sich in Anspruch nehmen, die Musikszene komplett umgekrempelt zu haben. Das Programm simulierte drei der meistgesuchten [und teuersten] elektronischen Instrumente: die Drumcomputer Roland TR-808 und TR-909 sowie zwei Roland-TB-303-Bass-Synthesizer.
Mit diesen drei virtuellen Instrumenten schraubte eine ganze Generation ihre Version von Acid zusammen, ohne gleich die Einrichtung verscherbeln zu müssen. Der einzig herbe Verlust waren die Regler, denn erst durch Schrauben erwacht ein Sound zum Leben. Man behalf sich damit, dass die Parameterveränderungen hintereinander aufgezeichnet werden konnten.
Aufgeräumt wie ein Proberaum: das Interface des ReBirth RB-338.
Den RB-338 gibt es für Windows und Mac OS 9 [!] immer noch im ReBirth-Museum zum kostenlosen Download [nach Registrierung mit E-Mail-Adresse].
Deftiger Klang, einfach zu bedienen
Nintendos DS ist über Stylus, Steuerkreuz und Tasten bedienbar. Entsprechend intuitiv fällt die Bedienung des Korg DS-10 aus. Sequenzen werden über das virtuelle Keyboard oder im Step-Sequenzer-Modus eingespielt - leider nicht über MIDI [DSMidi/WiFi].
Das entpuppt sich als große Schwäche, denn so bleibt man im ewig gleichen 16er-Grid hängen. Als Alternative lassen sich Melodien auf einem X-/Y-Touchscreen einzeichnen. Großartig ist die Integration zweier "Kaoss-Pads", bei denen zwei Synthparameter ausgewählt und dann mit dem Stift live verändert werden - hier spielt die DS ihre Stärken voll aus.
Das Original: Der Korg MS-10 erschien 1978. Mit seinem patchbaren Steckfeld galt er als "Modularsynth des kleinen Mannes". Sein Nachfolger MS-20 klang dank Dualoszillatoren kräftiger, zupackender und derber. Dennoch wird der MS-10 [Gebrauchtpreis 500 Euro] gerne für Bass- und perkussive Sounds verwendet. Er ist unter anderem bei den Beastie Boys, Underworld und The Orb im Einsatz.
Die Emulation kommt dem Original recht nahe. Vor allem die Filtersektion, die beim Korg MS-10 und Korg MS-20 den Klang stark färbt, klingt überzeugend. Jeder der beiden Synths kann mit Patchkabeln verdrahtet werden, natürlich fallen die Kontrollspannungseingänge des echten MS-10 weg.
Ein Fünfkanalmischpult und eine nachgeschaltete Effektsektion [Delay, Chorus oder Flanger] erlauben zudem gezielte Eingriffe in den Mix. Jede Aktion lässt sich aufzeichnen und in Patterns speichern. Die Patterns wiederum lassen sich zu Songs verketten, wie man es auch von Rebirth her kennt.
Sounds like 1997
Der Korg DS-10 wurde mit viel Liebe zum Detail nachprogrammiert und strotzt vor Features. Alle Bedienelemente sehen genau so aus wie beim Vorbild. Und wenn man den Bildschirm des DS hochkant stellt, kommt fast schon Original-MS-10-Feeling auf.
Aufbau und Bedienung sind einfach und intuitiv, nach wenigen Minuten fließen die ersten typischen Melodien aus dem Gerät. Und es klingt … nach 1997. Das ist leider eine Schwäche des Korg-DS-10-Moduls: Er klingt nicht analog, sondern extrem konventionell. In einem anderen Kontext als Electronica wird man ihn wohl nicht einsetzen können.
Tenori-on auf dem iPhone
Die Alternative: Homebrew
Während Nintendos Wiimote inzwischen ihren festen Platz bei Elektronikmusikern hat, dringt der DS erst langsam in die Szene ein. Das liegt daran, dass der Nintendo DS per se ein geschlossenes, kommerzielles System ist. Doch mit Modulen wie dem R4DS und Cyclo DS Evolution ändern sich die Verhältnisse. Jetzt steht es auch der Homebrew-Szene offen, selbst geschriebene Software zu veröffentlichen.
Dabei geht man wesentlich experimenteller an den Nintendo DS heran. Wichtigstes Musikprogramm für den Nintendo DS ist das kostenlose Programm glitchDS zu nennen. Der sechsspurige, patternbasierte Loopplayer besitzt einen Sequenzer, der auf Conways "Game of Live"-Simulation basiert. Auch er lässt sich per Stift bedienen. Die Ergebnisse fallen drastischer, härter und wesentlich experimenteller aus. Und noch ein anderes System, für das gerade ein Homebrew-Tenori-on in Arbeit ist, etabliert sich in der Szene: Apples iPhone.
(Anatol Locker)