Pirate-Bay-Sperre: "China auf Italienisch"
Seit dem Wochenende wird der Zugang zur Torrent-Tracker-Site The Pirate Bay in Italien blockiert. Die Sperre der Site hat sich zwar weitgehend als unwirksam erwiesen, Kritiker sehen dennoch "chinesische Verhältnisse" in dem von Medienmogul Silvio Berlusconi regierten Land heraufziehen.
The Pirate Bay [TPB] war für viele italienische Internet-Nutzer in den vergangenen Tagen nur schwer erreichbar. Anfragen nach der Adresse Thepiratebay.org aus den Netzen zahlreicher italienischer Internet-Anbieter liefen entweder ins Leere oder führten zu einer Website, auf der darauf hingewiesen wurde, dass die Polizei den Zugang zu TPB gesperrt hat.
Von der Sperre ihrer Site in Italien erfuhren die TPB-Betreiber von italienischen Nutzern. Kontakte mit der italienischen Justiz habe es bisher nicht gegeben, teilte Peter Sunde [brokep] von The Pirate Bay ORF.at mit: "Wir haben versucht, mit den italienischen Behörden Kontakt aufzunehmen. Das ist uns aber bisher nicht gelungen."
Richterliche Anordnung
Angeordnet wurde die Sperre der TPB-Domain und IP-Adresse von einem Gericht in Bergamo, das offenbar auf Drängen des Staatsanwaltes Giancarlo Mancusi tätig wurde, der vor kurzem auch das italienische TPB-Pendant Colombo-bt schließen ließ und laut italienischen Medienberichten in jüngster Zeit verschärft gegen BitTorrent-Sites vorgeht.
Nach Angaben Sundes, der sich auf italienische Quellen beruft, befolgten rund 70 Prozent der italienischen Internet-Anbieter die Anordnung. Interessant sei, dass die Domain Thepiratebay.org bei einigen Providern in Italien nun auf eine IP-Adresse verweise, die mit dem Musikwirtschaftsverband IFPI in Zusammenhang stehe. "Ich weiß nicht, warum die Polizei der IFPI das Recht einräumt, unseren Domain-Namen für italienische Nutzer zu kapern, die so auch in der Lage ist, die IP-Adressen der Besucher zu loggen", so Sunde.
"Rechtliche Basis im Dunkeln"
Der Text der richterlichen Anweisung wurde bisher nicht publiziert, die rechtliche Basis für das Vorgehen der Behörde liege im Dunkeln, kritisierte Vittorio Bertola, italienischer Internet-Experte und ehemaliges Mitglied des ICANN-Direktoriums, gegenüber ORF.at.
Nach italienischem Recht könnten zwar Server vorbeugend beschlagnahmt werden, wenn dadurch kriminelle Handlungen verhindert würden. Daraus jedoch das Recht abzuleiten, Internet-Anbieter zur Sperre von Websites verpflichten zu können, bedürfe eines besonders kreativen oder inkompetenten Richters, so Bertola.
"Chinesische Verhältnisse"
Einige italienische Gesetze würden im Fall von illegalem Glücksspiel oder Kinderpornografie die Sperre von Websites erlauben, es sei jedoch sehr unwahrscheinlich, dass das auf den TPB-Fall zutreffe, sagte Bertola. In seinem Weblog befürchtete Bertola das Heraufziehen "chinesischer Verhältnisse" in Italien.
"Faschistische Zensur"
Die TPB-Betreiber gaben sich in ihren Kommentaren zur Sperre ihrer Site in Italien nicht zimperlich. Unter dem Titel "Faschistischer Staat zensuriert Pirate Bay" bekam auch der italienische Ministerpräsident und Medienmogul Berlusconi den Zorn der Schweden zu spüren. Der "faschistische Führer" habe angeordnet die Domain und IP-Adresse in Italien zu sperren, um die Italiener noch enger an sein Medienimperium zu binden, hieß es in einem Eintrag vom Sonntag.
Man habe keinerlei Beweise, dass Berlusconi mit der Sperre der Site direkt in Verbindung stehe, so Sunde zu ORF.at: "Aber er ist der größte Medienunternehmer des Landes, und wir stehen in direkter Konkurrenz zu ihm."
"Wenig hilfreich"
Die verbalen Attacken gegen Italien auf dem Pirate-Bay-Blog hätten sich als wenig hilfreich erwiesen, meinte Bertola. Sie hätten viele Leute, die klar gegen Webzensur auftreten, abgestoßen. Dennoch sei es bedenklich, dass das Vorgehen der Behörden gegen The Pirate Bay in Italien keine Proteste hervorgerufen habe.
"Intransparentes Vorgehen"
Das komplette Fehlen von Transparenz bei dem Vorgehen der Behörden sei eine Schande, sagte Bertola, der auch das Fehlen einheitlicher Regeln in der EU beklagte: "Innerhalb der Europäischen Union sollte es gemeinsame Regelen geben, was im Internet gemacht oder nicht gemacht werden darf."
"Lächerlich gemacht"
Bei TPB hat man mit Sperren durch Provider bereits Erfahrung. Im vergangenen Februar verpflichtete ein dänisches Gericht den Internet-Anbieter Tele2, seinen Kunden den Zugang zum schwedischen Torrent-Tracker zu sperren. Die dänischen Nutzerzahlen von TPB schnellten daraufhin in die Höhe. "Wir verzeichnen in Dänemark steigende Nutzerzahlen, seit Tele2 uns gesperrt hat", so Sunde: "Viele Nutzer umgehen die Filter des Providers."
Sehr effektiv war die Sperre auch in Italien nicht. Schon am Sonntag wechselte TPB die IP-Adresse, so dass zahlreiche italienische Nutzer wieder auf die Site zugreifen konnten. Auch über die Domain Labaia.org ist TPB in Italien nun erreichbar. Daneben empfahlen die TPB-Betreiber in ihrem Weblog die Nutzung von Open DNS, um die Sperren der italienischen Justiz zu umgehen.
Dank neuer IP-Adresse und Domain-Name war die Site am Montag schon wieder allgemein zugänglich. Wer immer die Sperre angeordnet hat, habe damit sich und Italien lächerlich gemacht, resümierte Bertola.
Zum Thema:
Ende Jänner erhob die schwedische Justiz Anklage gegen The Pirate Bay. ORF.at hat mit Rasmus Fleischer, dem Sprecher des schwedischen Piratenbüros [Piratbyran], damals über das Verfahren gegen die Torrent-Tracker-Site in Schweden und über den "Copyfight" zwischen Piraten und Anti-Piraterie-Lobby gesprochen.
(futurezone | Patrick Dax | Günter Hack)