Parteien zur IT-Politik: E-Government

27.08.2008

Sollen Wahlen via Internet eingeführt werden? Soll es ein Recht auf Internet-Zugang geben? Die im Parlament vertretenen Parteien stellen sich den Fragen zum Thema E-Government im zweiten Teil der futurezone.ORF.at-Serie zur Nationalratswahl.

Der Einsatz von IT in der öffentlichen Verwaltung ist auch eine politische Frage. So ist beispielsweise das Wiener Linux-Projekt Wienux ins Trudeln geraten, weil der klare politische Wille zum Einsatz der freien Software fehlte.

Umstritten ist auch das Wählen via Internet. Während etwa die ÖVP darin ein wichtiges Instrument zur Steigerung der Wahlbeteiligung sieht, macht die SPÖ auf die zahlreichen ungelösten technischen Probleme der E-Voting-Lösungen aufmerksam.

Soll es zu einem wirklich breiten Einsatz von E-Government-Lösungen kommen, bleibt auch die Frage nach der Anbindung der Bürger. Soll der Internet-Zugang ein Grundrecht werden?

Die Vorgehensweise:

Die Redaktion von futurezone.ORF.at hat am 6. August einen Fragenkatalog zur IT-Politik an die derzeit im Nationalrat vertretenen Parteien geschickt.

[Anmerkung: Die FPÖ hat ihre Antworten am Abend des 26. August nach Erscheinen der ersten Folge der Serie nachgereicht. Wir werden im Laufe des 27. August auch die erste Folge um die Antworten der FPÖ ergänzen.]

Auf die jeweiligen Fragen der Redaktion folgen die Antworten der Parteien.

Die Antworten sind nach Anzahl der Abgeordneten der Parteien im derzeitigen Nationalrat gereiht.

Mehr zum Thema:

Soll der Einsatz von offenen Dateiformaten und Open-Source-Software im öffentlichen Dienst gefördert werden?

SPÖ

Ja, natürlich.

ÖVP

Die öffentliche Hand soll weder Open-Source-Software noch proprietäre Software per se bevorzugen. Es gilt, die für die jeweilige Anforderung beste Lösung zu finden. Dabei sind die Anschaffungskosten und die Aufwendungen für die Wartung zu berücksichtigen.

Unser oberstes Gebot ist, dass die Schnittstellen zwischen den öffentlichen Stellen und den Software-Lösungen der Bürgerinnen und Bürger nahtlos und bequem funktionieren und dass alle an den Innovationen teilhaben und Nutzen ziehen können.

Grüne

Die Grünen fordern, Open-Source-Technologien für die Durchsetzung offener Standards zu nutzen und verstärkt in allen Bereichen der öffentlichen Verwaltung einzusetzen. Durch den Einsatz von Open-Source-Technologien soll der nichtdiskriminierende Zugang zu E-Government und öffentlichen Informationen für alle Menschen sichergestellt und ein chancengleicher Zugang zu Informationen und Vernetzung von Wissensbeständen garantiert werden. Bei der Beschaffung von Software für die öffentliche Verwaltung ist für einen gleichberechtigten Wettbewerb zwischen proprietärer Software und Open-Source-Software zu sorgen. Schließlich soll alle mit öffentlichen Geldern entwickelte Software unter Open-Source-Bedingungen veröffentlicht werden.

Auf Betreiben der Grünen konnte etwa das Thema Open-Source-Software als neuer, zusätzlicher Schwerpunkt in der Wiener Technologieförderung verankert werden. Eine Förderausschreibung zum Thema Open Source, abgestimmt auf die laufenden Vorhaben der Stadt Wien, erfolgte im Juli 2007. Schließlich wurden 13 Projekte für eine Förderung vorgeschlagen. Das Zentrum für Innovation und Technologie förderte diese innovativen Projekte mit insgesamt 1,4 Millionen Euro.

Davor waren die Grünen in Wien bereits intensiv in die Einführung des Wienux-Betriebssystems und den Einsatz von OpenOffice in der Wiener Verwaltung eingebunden.

FPÖ

Offene Dateiformate sind in jedem Fall zu unterstützen und sind auch schon in Verwendung. Open Source ist gerade bei spezifischen Anwendungen flexibler und kann damit an die konkret auftretenden Erfordernisse angepasst werden.

Bei einem Umstieg auf Open-Source-Freeware-Produkte muss zwischen damit einhergehenden Problemen und der Reduktion von Lizenzgebühren abgewogen werden, ob der Umstieg zielführend ist.

BZÖ

Open Source ist eine reizvolle Alternative zu marktbeherrschenden Produkten - Linux oder OpenOffice sind Beispiele für durchaus sinnvolle alternative Programme. Wenn die Sicherheit, Kompatibilität und Benutzerfreundlichkeit gegeben ist, spricht nichts gegen die Verwendung offener Software.

LIF

Der Einsatz offener Dateiformate und -standards sollte Grundvoraussetzung für die Auswahl von Software sein. So entsteht echter Wettbewerb zwischen Open-Source-Lösungen und kommerziellen Closed-Source-Produkten.

Mehr zum Thema:

Soll in Österreich bei Nationalrats- und Landtagswahlen E-Voting via Internet erlaubt werden?

SPÖ

Nein. Die zurzeit auf dem Markt befindlichen Modelle können das geheime und persönliche Wahlrecht via Internet nicht garantieren.

Auch aus grundrechtlichen Überlegungen kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht zugestimmt werden.

ÖVP

Mehr Möglichkeiten bei Wahlen bedeuten ein Mehr an Demokratie. E-Voting, das "Wählen per Mausklick", ist ein zusätzliches Service für alle Österreicher und Österreicherinnen, das die Beteiligung an Wahlen für viele erleichtert und steigern kann. Darüber hinaus ist ein Mehr an direkter Demokratie und damit an unmittelbarer Einbindung unserer Bürgerinnen und Bürger möglich.

Daher fordert die ÖVP die Einführung von E-Voting als zusätzliche Möglichkeit der Bürgerinnen und Bürger, von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen. Das Wahlgeheimnis hat auch hier höchste Priorität.

Es ist daher eine Lösung zu wählen, die mindestens den gleichen Standard hinsichtlich Anonymität und Sicherheit garantiert wie beim Gang zur Wahlurne. Die ÖVP verschließt sich der Moderne nicht - gerade in Fragen der Demokratie.

Grüne

Die elektronische Stimmabgabe birgt viele Risken in sich. Man soll daher die Erfahrungen der Vorreiterstaaten wie etwa Estland in Ruhe abwarten.

Wichtig erscheint unter anderem einerseits, dass der Einsatz der neuen Technologie nicht zum Anlass für eine Auslagerung der Wahldurchführung an Private genutzt wird, sondern die Republik im Besitz der Software und der Durchführung bleibt.

Andererseits muss auch der Verfassungsgerichtshof als Wahlgerichtshof in die Lage versetzt werden, diese Wahlvorgänge im Beschwerdefall zu überprüfen. Die infrastrukturelle und verfahrensmäßige Vorsorge zur Beischaffung dieses spezifischen Sachverstands wird daher [neben anderen Fragen] Thema einer solchen Neuregelung sein müssen.

FPÖ

Da die Bürgerkarte derzeit in der Bevölkerung noch nicht verbreitet ist und E-Voting wahrscheinlich auf dieser aufbauen müsste, wird die Implementierung der elektronischen Wahl bei Landtags- und Nationalratswahlen wohl erst in einigen Jahren wirtschaftlich sinnvoll sein. Derzeit würden dabei jedenfalls zu hohe Kosten in Bezug auf die Nutzung entstehen. In der Zukunft ist eine Nutzung bei ausreichender Nachfrage durchaus sinnvoll.

BZÖ

Ja - wenn die Sicherheit besser gewährleistet ist als derzeit. Estland hat E-Voting als erstes Land bereits verwirklicht und gravierende Sicherheitsprobleme festgestellt.

Mittelfristig führt an E-Voting aber sicher kein Weg vorbei. Das BZÖ begrüßt jede Innovation, die die Wahlbeteiligung der Österreicher hebt.

LIF

Nein, da derzeit noch keine praktikable Lösung absehbar ist, die die Grundsätze einer geheimen und unbeeinflussten Wahl gewährleistet.

Mehr zum Thema:

Ohne Internet wird es immer schwieriger, am öffentlichen Leben teilzunehmen. Soll der Zugang zum Internet für jeden Haushalt in Österreich ein "Grundrecht" werden?

SPÖ

Der Zugang zu neuen Technologien wird immer überlebenswichtiger. So können über das Internet nicht nur private Geschäfte abgewickelt werden, sondern zunehmend auch Behördenwege.

Die Digitalisierung unseres Lebens erfordert einen barrierefreien Zugang zum Internet, niemand darf davon ausgeschlossen werden. Entscheidend dabei ist, dass Privatsphäre und das Grundrecht auf Datenschutz gewährleistet werden.

ÖVP

Information ist Wissen. Daher wollen wir den bestmöglichen Zugang zu Internet und Information für alle Bürgerinnen und Bürger.

Dabei gilt es, besonders ältere Menschen und Menschen mit besonderen Bedürfnissen sowie junge Menschen, die sich in Ausbildung befinden, bestmöglich zu unterstützen.

Grüne

Grüne Politik begreift den Zugang zu neuen Informations- und Kommunikationstechnologien als ein universelles Recht aller Menschen, das sich durch das Entstehen der Informationsgesellschaft gerade erst herauszubilden beginnt. Sobald sich ein breiter gesellschaftlicher Konsens über Art, Umfang und

Reichweite des Rechts auf digitale Integration herausgebildet hat, wird es die Verpflichtung der Politik sein, dieses Recht in Verfassungen und Gesetzen abzusichern.

Die Grünen sprechen sich für ein neues Verständnis von "digitaler Integration" aus. Grüne Innovationspolitik fördert gezielt Technologien, die für alle Gesellschaftsgruppen zugänglich sind und nicht hinsichtlich sozialer Herkunft, Geschlecht oder Behinderung diskriminieren.

FPÖ

Jedenfalls sollte der Internet-Zugang für sozial schwache Personen mit niedrigen Einkommen oder Pensionen erleichtert und auch gefördert werden. Ein Grundrecht auf Internet mit einem individuellen Anspruch auf einen Internet-Anschluss und eventuell eine Flatrate ginge hier sicher zu weit.

Wir schlagen vor, dass finanziell schwache Familien beim Schuleintritt eines Kindes in Gymnasium oder Hauptschule einen Gratiscomputer zur Verfügung gestellt bekommen sollen.

BZÖ

Das BZÖ will kein Grundrecht, das die Verfassung weiter aufbläht. Wir haben einen völlig anderen Ansatz. Das BZÖ fordert einen kostenlosen Internet-Zugang für alle Österreicher mittels WLAN-Spots im ganzen Land. Estland hat das relativ kostengünstig bereits verwirklicht.

LIF

Die Liberalen sehen in der Förderung des Internet-Zugangs für jeden einen kulturellen Bildungsauftrag.

Mehr zum Thema:

Ein Gesetzesentwurf der Regierung sieht eine Ausweitung der Telefon-Grundgebührenbefreiung für sozial Schwache auch auf Breitband-Internet vor. Damit soll Österreichs Breitbandwachstum angekurbelt werden, ein weiterer Impuls könnte die steuerliche Absetzbarkeit der Breitbandkosten sein.

Lesen Sie morgen:

Der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy und die Verbände der internationalen Medienkonzerne drängen auf EU-Ebene auf die Einführung von Internet-Sperren für Filesharer. Das Recht auf Privatkopie ist in Gefahr. Wie die österreichischen Parteien zu diesem Thema stehen, lesen Sie in der nächsten Folge der futurezone-Serie zur Nationalratswahl 2008.

Alles zur Nationalratswahl

Der ORF hat zur Nationalratswahl eine Website mit allen wichtigen Informationen eingerichtet.