Parteien zur IT-Politik: Urheberrecht

28.08.2008

Sollen österreichische Provider ihre Kunden überwachen und Verstöße gegen das Urheberrecht den Verbänden der Medienindustrie melden? Soll das Recht auf Privatkopie erhalten bleiben? Was ist mit Software-Patenten? Die im Nationalrat vertretenen Parteien antworten auf Fragen zum Urheberrecht im digitalen Zeitalter.

Im dritten Teil der futurezone.ORF.at-Serie zur Nationalratswahl geht es um Probleme des Urheberrechts. Während Copyright-Fragen in früheren Zeiten vorwiegend für einen kleinen Kreis von Spezialisten relevant waren, verstricken sich in Zeiten von Webforen und Filesharing-Anwendungen auch Kinder und Jugendliche schnell in den engmaschigen Netzen der immer komplexer werdenden Gesetze.

Zudem wächst der Druck der internationalen Medienkonzerne und ihrer Lobbyorganisationen auf die österreichischen Provider. Diese sollen, so ein Vorschlag, der es auch in einen Kompromissvorschlag des EU-Parlaments zum Telekompaket geschafft hat, den Datenverkehr ihrer Kunden überwachen und enger mit den Rechteinhabern zusammenarbeiten.

Die Vorgehensweise:

Die Redaktion von futurezone.ORF.at hat am 6. August einen Fragenkatalog zur IT-Politik an die derzeit im Nationalrat vertretenen Parteien geschickt.

Auf die jeweiligen Fragen der Redaktion folgen die Antworten der Parteien.

Die Antworten sind nach Anzahl der Abgeordneten der Parteien im derzeitigen Nationalrat gereiht.

In Frankreich soll Internet-Nutzern, die wiederholt Urheberrechtsverletzungen im Netz begangen haben, der Netzzugang gekappt werden. Halten Sie ein solches Modell auch in Österreich für erstrebenswert?

SPÖ

Ein solches Modell ist mit allem Nachdruck abzulehnen. Es ist rechtsstaatlich bedenklich und deklassiert die Provider zu Hilfssheriffs der Rechteinhaber.

Ohne rechtliche Überprüfung - so das französische Modell - sollen Provider bei vermutlichen Urheberrechtsverletzungen verpflichtet werden, die Internet-Anschlüsse verdächtiger User zu sperren.

Insofern ist auch die Erklärung der Kulturminister der 27 Mitgliedsstaaten abzulehnen, Provider vermehrt in die Verantwortung zu nehmen.

ÖVP

Die aktuelle europäische Diskussion zeigt, dass die französischen Überlegungen mehrheitlich abgelehnt werden. Die Verhältnismäßigkeit dürfte hier nicht gegeben sein.

Es ist auch davon auszugehen, dass sehr viele Urheberrechtsverletzungen nicht vorsätzlich begangen werden, daher ist eine effektive Informationsarbeit der bessere Weg zum Schutz von Urheberrechten.

Grüne

Nein, das französische Modell wird von den Grünen abgelehnt. Voraussetzung dafür wäre eine inhaltliche Überwachung des Internet-Verkehrs, welche sich mit den Menschenrechten nicht vereinbaren lässt.

FPÖ

Nein, außerdem kann auch nicht verhindert werden, dass von einer solchen Konsequenz betroffene Personen über andere Zugänge ins Internet einsteigen. Diese französische Forderung erscheint eher unausgegoren.

BZÖ

Nein zum Spitzelstaat gerade im Internet. Urheberrechte sind selbstverständlich einzuhalten, aber hier ist erstens klar zwischen kommerziellen und privaten Interessen zu differenzieren, und zweitens hat Österreich bei der derzeitigen Kriminalitätsrate größere Probleme als eine Polizeijagd auf private User.

Das französische Modell ist bei massiven Wiederholungstätern im kommerziellen Bereich aber sicher eine Überlegung wert, wenn sichergestellt ist, dass hier nicht mit Kanonen auf Spatzen geschossen wird.

LIF

Keinesfalls, da rechtsstaatlich äußerst bedenklich und in der Praxis nicht exekutierbar [Internet-Cafes, gemeinsame Nutzung von Internet-Zugängen durch Familien, Mitbewohner etc.].

Mehr zum Thema:

Die jüngste und mächtigste Initiative für die Einführung von Internet-Sperren versucht die Medienindustrie derzeit über das EU-Parlament durchzusetzen. Dazu nutzen die Lobbyisten die Initiative der EU-Kommission zur Neuordnung des europäischen Telekommunikationsmarkts - das Telekompaket.

Der britische EU-Abgeordnete Malcolm Harbour hat im Verbraucherschutzausschuss des EU-Parlaments einen Passus in das Telekompaket eingeschleust, der die Provider zur "Zusammenarbeit" mit den Rechteinhabern zwingen würde.

Das EU-Parlament wird am 2. September über das Telekompaket debattieren. Am 22. September wird es darüber abstimmen.

Halten Sie Filter- und Überwachungsmaßnahmen für eine geeignete Möglichkeit, Urheberrechtsverletzungen im Netz zu begegnen?

SPÖ

Filter- und Überwachungsmaßnahmen sind keine geeignete Möglichkeit, um Urheberrechtsverletzungen im Netz zu begegnen. Gerade DRM-Modelle haben sich als absolut ungeeignet erwiesen, sind wirtschaftlich bedenklich und gefährden überdies den Zugang der Nutzer.

Der Zugang zu digitalen Informationen muss auf allen Ebenen gesichert sein, eine Strafverfolgung jedoch nur bei kommerziell begründeten Urheberrechtsverletzungen.

ÖVP

Gemeinsam mit der Industrie erarbeitete Filterlösungen, deren Kosten fair verteilt werden, können Urheberrechtsverletzungen reduzieren.

Überwachungsmaßnahmen widersprechen jedoch dem Grundgedanken des Internets und sollen allenfalls nur anlassbezogen, verhältnismäßig und zeitlich begrenzt getätigt werden. Die Kosten sind auch in diesem Fall zwischen dem Staat und den betroffenen Firmen aufzuteilen.

Grüne

Nein, auch solche Maßnahmen verletzen die Menschenrechte wie etwa das Recht auf freie Meinungsäußerung, die Achtung der Privatsphäre, das Fernmeldegeheimnis etc.

FPÖ

Nein.

BZÖ

Nein - wir leben nicht in China, und das ist keine Aufgabe des Staates.

LIF

Nein. Das Problem liegt vielmehr in einem nicht mehr zeitgemäßen Urheberrecht.

Mehr zum Thema:

Anlässlich der Ars Electronica 2008 [5. bis 9. September in Linz] befassen sich Experten aus aller Welt mit den Problemen, die sich aus der einfachen Übertragung von Prinzipien des Urheberrechts aus dem analogen auf das digitale Zeitalter ergeben haben.

~ Link: "Wer nicht offen ist, stirbt aus" (../http://www.fuzo-archiv.at/?id=301836v2) ~

Sollen Telefonie- und Internet-Provider für Urheberrechtsverletzungen verantwortlich gemacht werden, die in ihren Netzwerken stattfinden?

SPÖ

Die europäische Internet-Wirtschaft hat sich - wie die europäischen Verbraucherorganisationen - strikt dagegen ausgesprochen. Eine Haftung von Providern bei Urheberrechtsverletzungen ist nur dann zu akzeptieren, wenn es sich um nachgewiesene - kommerziell genutzte - Urheberrechtsverletzungen handelt.

ÖVP

Die geltende Rechtslage ist ausreichend. Die ÖVP will keine einschlägigen Verschärfungen für Telefonie- und Internet-Provider.

Grüne

Eine derartige Verantwortlichkeit könnte nur dort denkbar sein, wo den Providern tatsächlich Einfluss auf den übermittelten Inhalt zusteht. Ein solcher Einfluss würde allerdings wiederum eine inhaltliche Überwachung des Internet-Verkehrs durch die Provider voraussetzen, welche von den Grünen aus den oben angeführten Gründen abgelehnt wird.

FPÖ

Nein, es wird ja auch nicht der Telefonanbieter dafür verantwortlich gemacht, wenn jemand einen anderen telefonisch bedroht.

BZÖ

Nur wenn sie Urheberrechtsverletzungen bewusst dulden.

LIF

Nein. Man macht ja auch die Post nicht für das Versenden von Drohbriefen verantwortlich.

Mehr zum Thema:

Der Verein für Anti-Piraterie der Film- und Videobranche [VAP] hat für Österreich Internet-Sperren nach französischem Vorbild gefordert. Nutzern, die wiederholt Urheberrechtsverletzungen begehen, soll der Netzzugang gekappt werden.

Soll das Recht auf Privatkopie erhalten bleiben?

SPÖ

Die SPÖ tritt seit Jahren - zuletzt bei der Urheberrechtsnovelle - für das Recht auf eine digitale Privatkopie ein.

Bedauerlicherweise verhindern bestimmte DRM-Systeme diese Möglichkeit, wobei die Vornahme von technischen Maßnahmen zur Beseitigung dieser Systeme unter Strafsanktion steht.

ÖVP

Ja, das Recht auf Privatkopie soll in seiner derzeitigen Form erhalten bleiben.

Grüne

Ja. Das Recht auf Privatkopie hat sich im österreichischen Urheberrechtssystem bewährt, und die Grünen sehen hier keinen Bedarf zu einer Einschränkung dieses Rechts.

FPÖ

Ja, natürlich.

BZÖ

Ja, hier findet auch seitens der Industrie bereits ein Umdenken statt.

LIF

Ja. Wobei es viel wichtiger wäre, das Urheberrecht generell an das digitale Zeitalter anzupassen. Dies müsste jedoch zumindest auf EU-Ebene erfolgen.

Mehr zum Thema:

Die EU-Kommission will einen gemeinsamen Markt für Online-Musik, -Filme und -Spiele in Europa schaffen. Nicht nur der Zugang soll vereinfacht werden, auch das Urheberrecht, Kopierschutzsysteme und Lizenzen sollen transparenter werden.

Dass DRM-Systeme auch ihren Betreibern große Probleme machen, zeigte unlängst die Abschaltung der DRM-Server bei Microsofts MSN Music und Yahoo. Damit konnten die Kunden dieser Dienste die notwendige Online-Autorisierung gekaufter Musikstücke etwa beim Umstieg auf einen neuen Computer oder ein anderes Betriebssystem nicht mehr vornehmen.

Sollen in Österreich Software-Patente nach US-amerikanischem Vorbild eingeführt werden?

SPÖ

Nein, nicht einmal daran denken. Die amerikanische Erfahrung mit "ihren" Software-Patenten ist katastrophal.

ÖVP

Der Diskussionsprozess dazu findet auf europäischer Ebene statt. Wichtig ist, dass Europa weiterhin wettbewerbsfähig bleibt.

Gleichzeitig sollen aber Software-Patente nur tatsächliche Innovationen schützen. Einen Missbrauch von Software-Patenten, der die Dynamik der Software-Branche behindert, lehnt die ÖVP ab.

Grüne

Nein. Das System des Patentrechts passt nicht zum Schutz der bei der Programmierung nötigen abstrakten Ideen. Eine Patentierung von Ideen behindert den Fortschritt, nützt großen, finanzstarken Konzernen und schadet Klein- und Mittelbetrieben. Software ist durch das Urheberrecht ausreichend geschützt.

Die Europaparlamentarierin der österreichischen Grünen, Eva Lichtenberger, war führend und meinungsbildend an der Verhinderung entsprechender Pläne im EU-Parlament beteiligt.

FPÖ

Nein, Software ist eher als Idee denn als Erfindung zu klassifizieren. Das Urheberrecht ist hier anwendbar und auch ausreichend.

BZÖ

Diese Frage stellt sich derzeit nicht.

LIF

Nein. Nicht förderlich für den Standort Österreich. Behindert Innovation viel eher, als es nützt.

Mehr zum Thema:

In den USA werden Software-Patente gerne als Waffen gegen die Konkurrenz genutzt. Dabei gilt: Wer sich die besseren und teureren Anwälte leisten kann, hat die besseren Chancen. Auch beim taktischen Manövrieren der Konzerne und Interessengruppen spielen Patente dort eine wichtige Rolle, beispielsweise beim Abkommen zwischen Novell und Microsoft, das von Vertretern der Free Software Foundation als Versuch gesehen wird, die Open-Source-Szene zu spalten.

Lesen Sie in der nächsten Folge:

Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 haben die Regierungen in den USA und der EU umfangreiche Kontrollmaßnahmen durchgesetzt, die tief in die bürgerlichen Grundrechte eingreifen. Beispiele dafür sind die Erfassung der Flugpassagierdaten und die Vorratsspeicherung sämtlicher Telefon- und Internet-Verbindungsdaten.

Auch die von der Großen Koalition in einer Schnellaktion im November 2007 durchgesetzte Novelle des Sicherheitspolizeigesetzes [SPG], die der Polizei die Abfrage von Verbindungs- und Handystandortdaten ohne richterliche Kontrolle erlaubt, sorgte für großes Aufsehen. Im vierten und letzten Teil der futurezone.ORF.at-Serie zur IKT-Politik äußern sich die im Nationalrat vertretenen Parteien zur Sicherheitspolitik im Internet-Zeitalter.

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