"Wahl total" in Österreichs Internet

01.09.2008

Neben den gewohnten Frage-Antwort-Ritualen in TV, Radio und Print müssen die wahlwerbenden Parteien eine wachsende Anzahl von Fragenkatalogen auf unabhängigen Websites beantworten. Mit Wahltotal.at mischt auch ein erstes Videoportal im Wahlkampf mit.

Obwohl der Wahlkampf 2008 erst wenige Wochen alt ist, lässt sich darüber schon mit Bestimmtheit eines sagen: So intensiv und weitläufig wurden so viele österreichische Politiker noch nie gleichzeitig öffentlich befragt.

Neben den Fragenmarathons der eingesessenen Medien - in ORF.at ist zum Beispiel ab heute jeden Tag ein anderer Spitzenpolitiker zu Gast - füllen sich die Websites von Interessengruppen mit spezialisierten Fragekatalogen.

Tierschutz und Kindergarten

Die Antworten der Politik auf die Tierschützer von United-creatures.at bringen beispielsweise an den Tag: Grüne, SPÖ und FPÖ sind dafür, dass die Republik eine Tieranwaltschaft samt Tierschutzbeirat einrichtet.

Auf der Pädagogikplattform Educare wiederum sind sich gar alle Parteien - inklusive KPÖ - darüber einig, dass die Qualitätsstandards in der Kinderbetreuung nur durch ein neues Bundesrahmengesetz erhöht werden könnten.

Unübliche Koalitionen, eins

Allein zum Thema EU-Politik mussten die Parteien bei Wahlkabine.at einen Katalog von 25 Punkten beantworten, der erstaunliche "Sachkoalitionen" an den Tag bringt.

So ist zum Beispiel nur die ÖVP dagegen, dass EU-weit "soziale Mindeststandards wie Mindestlöhne" eingeführt werden sollten.

Unübliche Koalitionen, zwei

Für das Recht öffentlich Bediensteter, bei ihrer Arbeit "sichtbare religiöse Symbole" zu tragen, sprechen sich sowohl die Grünen als auch die ÖVP und die Kommunisten aus.

Beim Wunsch nach einer EU-Polizeitruppe steht das BZÖ hingegen ebenso allein auf weiter Flur wie mit der Ablehnung einer verstärkten Förderung des Schienenverkehrs.

1.189 Kandidierende

Bei Meinparlament.at setzt man statt bei der Partei beim Individuum an, vom Spitzenkandidaten über die Hinterbänkler bis zu Kandidaten mit wenig Aussicht auf einen Listenplatz werden die Politiker hier namentlich befragt.

Insgesamt stehen 1.189 Kandidierende als potenzielle Antwortgeber zur Verfügung.

Das Videoportal

Das Internet wäre freilich nicht das Internet, wenn es neben diesen enzyklopädischen Ansätzen - die in ihrer Gesamtheit zeigen, dass die alten Links-rechts-Schemata nur noch bedingt gelten - nicht auch Unterhaltungsorientiertes gäbe.

Das Projekt Wahltotal.at zeigt, dass man für Videodistribution im Netz nicht auf YouTube angewiesen ist.

Stimmen gegen Antworten

Man sei "ohne große Ressourcen und Werbebudgets" angetreten und habe "ein unabhängiges Projekt binnen dreier Wochen aus dem Boden gestampft". Für Förderungsansuchen sei keine Zeit gewesen, schrieb Georg Schütz, einer der beiden Betreiber, an ORF.at.

Ihr Motto lautet: "Ihr wollt unsere Stimmen, wir wollen eure Antworten."

Antworten

Von SPÖ, ÖVP, Grünen, LIF, Liste Fritz und Christen seien Antwortvideos bereits da oder fix zugesagt, so Schütz, die genannten Parteien hätten allesamt bereits Accounts eingerichtet.

Ob sich der Aufwand lohnt, für eine so kurze Periode wie den laufenden Wahlkampf eine Videoblogging-Website zu programmieren, beantworten die Initiatoren eindeutig mit Ja. Die Website werde auch nach dem 28. September auf jeden Fall weiterentwickelt, so Schütz, genauere Pläne gebe man erst nach der Wahl bekannt.

Zum laufenden politischen Fragenmarathon hat auch futurezone.ORF.at mit vier Frageblöcken zu IT-Politik, E-Government, digitalen Bürgerrechten und Datenschutz beigetragen.

(futurezone | Erich Moechel)