Die Wiederkehr des Telekompakets
Dienstagnachmittag wurde im EU-Parlament über die Novellierung mehrerer Richtlinien zum Thema Telekommunikation diskutiert.
Dabei kam es zu einer "Aussprache" über das Telekompaket, einem Bündel von Novellen zu insgesamt drei EU-Richtlinien. Teile dieses gesetzgeberischen Großvorhabens waren heftig umstritten - und sind es noch.
Einige ganz offensichtlich der Unterhaltungsindustrie nahestehende Abgeordnete aus diversen Fraktionen hatten nachgerade haarsträubende Vorschläge eingebracht, die allesamt auf die Totalüberwachung des gesamten Internet-Verkehrs zur Bekämpfung von Urheberrechtsverletzungern hinausliefen.
"Eins, zwei, drei - Internet abgedreht"
Die vorgeschlagene Sanktionierung: Bei drei Urheberrechtsverstößen sollte nach Muster eines französischen Gesetzesentwurfs, den Präsident Nicolas Sarkozy allerding bis jetzt nicht durch die Instanzen drücken konnte, der Internet-Zugang gesperrt werden ["Eins, zwei, drei - Internet abgedreht"].
Im "Amendment" sechs des Entwurfs, der letztlich die Ausschüsse passierte, findet sich noch ein Verweis darauf.
Amendment sechs
(g) applying the principle that end-users should be able to access and distribute any lawful content and use any lawful applications and/or services of their choice and for this purpose contributing to the promotion of lawful content in accordance with Article 33 of Directive 2002/22/EC (Universal Service Directive)
Ein Seminar mit Hijacking
Bei einem von der konservativen Fraktion veranstalteten Seminar zum umstrittenen EU-Telekompaket Ende August hatte das Gros der Referenten Internet-Überwachung und -Sperren zum Schutz geistigen Eigentums abgelehnt.
Der Content-Lobby war dabei ein "Hijacking" des Telekompakets vorgeworfen worden.
Das bezieht sich auf Artikel 33 der "Harbour-Vorschläge", in denen die Provider zur "Kooperation" verpflichtet werden.
Die Schlüsselfrage
Die Frage ist: Was bedeutet "Kooperation" hier konkret?
Und: Wie sollte man versuchen herauszufinden, ob ein Inhalt "gesetzeskonform" ist, ohne alles zu überwachen? Abgesehen davon, dass nicht einmal vollständige Kontrolle der Datenpakete eindeutige Ergebnisse zum Thema "Legalität" ergeben kann.
Hannes Swoboda [PSE]
Der sozialdemokratische Abgeordneter Hannes Swoboda [Fraktion PSE] schrieb dazu an ORF.at, dass nur von "promotion of lawful content" die Rede sei und nicht von "protection", so wie es unter anderem auch gefordert worden war.
Das sei in Zusammenhang mit Artikel 33 im Bericht von Harbour zu lesen, wo es sich um die Zurverfügungstellung von Vertragsinformationen handle.
Unter dem Terminus "lawful content" seien Inhalte zu verstehen, die in Übereinstimmung mit dem Recht am geistigen Eigentum stünden.
Der Terminus "lawful content" erscheine im Bericht von Harbour stets zu Informationszwecken und nicht zu Schutzzwecken - es könnten also keine Maßnahmen gegen den Konsumenten gesetzt werden, so Swoboda.
Ignasi Guardans [ALDE]
Im Falle von "illegalem Download von Inhalten" sage der Richtlinienentwurf definitiv nicht, was legal und was illegal sei, schrieb Ignasi Guardans, Abgeordneter der Liberalen Fraktion [ALDE], an ORF.at. Vergleichbar sei das zum Beispiel mit Richtlinen im Bankenbereich, die auch keine Verfolgung von Steuerhinziehung vorschrieben.
Ebenso wenig schreibe die Richtlinie ein Vorgehen wie in Frankreich vor oder wie in Großbritannien, wo die Provider Abmahnschreiben an ihre Kunden verschickten.
Die Skeptiker
Andere Abgeordnete wie etwa die für die grüne Fraktion mit der Materie befasste Abgeordnete Eva Lichtenberger sind über die Auslegung schon deutlich skeptischer. Lichtenberger tritt dafür ein, dass sämtliche Passagen im Telekompaket, die sich auf Urheberrecht beziehen, gestrichen werden, da sie im Telekompaket nichts zu suchen hätten.
Und auch Swoboda räumt ein, dass sich die umstrittene Passage noch ändern könne, bevor sie im Plenum verabschiedet wird. Das werde vorraussichtlich am 24. September in Straßburg sein, so Guardans.
(futurezone | Erich Moechel)