Bild: Thomas Bredenfel

Mehr Handwerk für die Medienkunst

07.09.2008

Bei der Ars Electronica sind heuer Studenten der Universität Tokio zu Gast, die unter dem Titel "Hybrid Ego" Arbeiten zur Mensch-Computer-Interaktion präsentieren. Dabei werden vor allem handwerkliche Fähigkeiten in den Vordergrund gerückt.

Die seit etlichen Jahren schon traditionelle Einladung der Ars Electronica an eine ausländische Hochschule, die sich mit Medienkunst beschäftigt, brachte heuer eine Studentengruppe der Tokio-Universität nach Linz, die unter dem Titel "Hybrid Ego" die Kunstuniversität am Hauptplatz bespielt. Damit ist diesmal keine Kunsthochschule, Akademie oder Medienkunsthochschule im Rahmen der Festivalschiene Ars Electronica Campus zu Gast, sondern mehrere eher technisch ausgerichtete Abteilungen der Universität in Tokio. Die Namen der beteiligten Institute für "Interdisciplinary Information Studies", "Information Science and Technology" und "Engineering" lassen auch zunächst eine eher kunstferne Ausstellung vermuten.

Tatsächlich aber berühren die Forschungsschwerpunkte dieser japanischen Universitätsinstitute vor allem den Bereich Mensch-Computer-Interaktion und sind damit gut im Medienkunstumfeld der Ars Electronica verankert. Das wird auch bei einem Rundgang durch die Ausstellung an der Kunstuni Linz deutlich. Technisch auf hohem Niveau und erkennbar gut durch die dortige Elektronikindustrie unterstützt, gehen die meist japanischen Studenten spielerisch und neugierig mit Denkansätzen um und probieren neue Wege aus.

3-D-Tempelansichten

Beim Projekt "Virtual Asukakyo" wird ein alter japanischer Tempel für den Träger einer 3-D-Brille in Echtzeit schattiert und beleuchtet in den Innenhof der Kunstuni projiziert. Die Perspektive wechselt nahezu verzögerungsfrei mit den Kopfbewegungen. Das Besondere ist hier, dass die Studenten dafür keinen Rechner in Vorzimmergröße brauchen, sondern nur ein besseres Notebook.

"Virtual Asukakyo"

==Humanoider Roboter==

Ebenfalls beispielhaft für die üppige Ausstattung und die Experimentiermöglichkeiten ist der humanoide Roboter "Kotaro", sicher das spektakulärste Exponat. Mit einer Unzahl an Motoren, Sensoren und Gelenken gelingen ihm Bewegungen, die menschlicher Gestik schon auf eindrucksvolle Weise nahekommen.

"Kotaro" ==Interaktive Tischdisplays==

Aktuellen technologischen Trends wie dem Versuch, Menschen mit Projektionen und reflektierender Spezialkleidung ["Optical Camouflage"] unsichtbar zu machen, gehen die Studenten in ihren Forschungsprojekten ebenso nach wie älteren Konzepten, etwa den schon länger auf der Ars Electronica gezeigten Kombinationen von Tischdisplays mit Kameras, dem Verfolgen von Benutzern und deren Händen und interaktiven Projektionen ["Tablescape Plus"]. Man sieht zum Teil Dinge, die einem als jahrelangem Besucher des Ars Electronica Centers und des jährlichen Festivals schon bekannt vorkommen.

"Tablescape Plus"

==Technik verschwindet==

Nach einer Weile in der Ausstellung fällt einem auf, dass hier auffällig wenig von [Medien-]Kunst die Rede ist. Nur sehr wenige der Exponate gehen konzeptuell weiter als das, was man handgreiflich vor sich sieht.

Dennoch sind teilweise richtig poetische Dinge zu sehen. Ganz herausragend in der Einfachheit, äußerlich geradezu Low-Tech in der Umsetzung ist das Projekt "Ephemeral Melody", bei dem der Besucher mit einer Kurbel einen Strom Seifenblasen gegen eine Art Harfe aus Kupferröhren blasen kann, wo die Blasen bei Kontakt einen Ton auslösen. Die Technik tritt hier vollkommen in den Hintergrund und verschwindet in einer Blackbox.

"Ephemeral Melody"

==Ein Tisch mit Löchern==

Ähnlich schlicht ist der Betontisch mit dem Titel "A feeling of daily details". Die Tischplatte hat ganz feine Löcher, die man mit Berührungen abdecken kann.

Glasfaserkabel leiten die Lichtschwankungen weiter und starten und manipulieren Töne, die von der Berührungsqualität abhängen.

"A feeling of daily details"

==Elektronischer Fingerhut==

Ein Reihe von Projekten beschäftigt sich nur mit Sensorik. Sei es ein Stirnband, das mit Vibrationen Hindernissen fühlbar macht oder eine Art elektronischer Fingerhut beim Projekt "GravityGrabber", der auf ungewöhnliche Art bewusst macht, wie Finger Masse und Trägheit spüren. Man bekommt auf Daumen und Zeigefinger einen solchen Fingerhut und spielt dann mit einem leeren Plexiglaswürfel.

Auf dem Bildschirm erscheint der Würfel mit jeder Bewegung, die man macht. Per Software wird nun der Würfel virtuell mit Kugeln gefüllt, die man aber real in den Fingerspitzen spürt, wenn sie mehr und schwerer werden oder bei Bewegungen an den Wänden anschlagen.

GravityGrabber ==Spiel mit der Neugier==

Mit unserer eigenen Neugier wird auf witzige Weise beim "Boxed-Ego" gespielt. Eine kleine Holzkiste in einer Ecke wartet nur darauf, dass man in die beiden Gucklöcher schaut. Dass hinter einem eine Kamera ist und in der Box genau die Ecke zu sehen ist, in der man steht, wird erst klar, wenn man Geräusche von sich gibt. Dann sieht man sich selbst von hinten in seiner eigenen neugierigen Haltung in die Kiste schauen.

"Boxed-Ego" ==Wohltuender Kontrapunkt==

Die Ausstellung führt eine Sammlung handwerklich sehr professionell gemachter Projekte zum Thema Sensorik, Haptik und Mensch-Maschine-Interaktion sowie Gedanken zu User-Interfacing vor, die gleichzeitig sehr nüchtern und unprätentiös daherkommt.

Die Ars Electronica hat hier einen wohltuenden Kontrapunkt gesetzt zu Werken und Künstlern, bei denen es manchmal genau umgekehrt ist. In dieser Ausstellung wird ein handwerkliches Vokabular gezeigt, das noch nicht oder kaum als Kunst oder Medienkunst bezeichnet werden kann, aber einen technologischen Wortschatz ausbreitet, der als Grundlage von künstlerischer Arbeit sehr viel solider erscheint als das, was von manchen arrivierten Medienkünstlern präsentiert wird. Auch aktuelle Medienkunst kommt in dieser Hinsicht sehr oft auf dünnem Eis daher und ignoriert ihre immanenten technischen Anforderungen und ihre starke Handwerksbetonung.

Kandinskys Postulat jener Notwendigkeit, dass sich die Auswahl und Umsetzung der künstlerischen Mittel immer der Aussage unterzuordnen habe und nicht umgekehrt, bekommt in der Medienkunst ein besonderes Gewicht. Es ist ja gerade für Medienkünstler bei der heutigen technologischen Vielfalt viel schwerer als zum Beispiel für einen Maler, sich für seine eigene künstlerische Richtung genau die richtigen Mittel zu suchen, als sich von technischen Neuerungen begeistern zum lassen und das Ganze dann mit verkopften Konzepten aus der sicheren Kurzlebigkeit zu retten.

Mehr zur Ars Electronica

~ Link: "Wer nicht offen ist, stirbt aus" (../http://www.fuzo-archiv.at/?id=301836v2) ~

(Thomas Bredenfeld)