Telekompaket: Malcolm Harbour wehrt sich
Der konservative britische EU-Abgeordnete Malcolm Harbour, der für die Einbringung von "Three Strikes Out" ins Telekompaket verantwortlich ist, bezichtigt seine Gegner der "Angstmacherei". Dabei weist er indirekt auf weitere Probleme im Telekompaket hin.
In einer Aussendung griff Harbour, als Berichterstatter des Konsumentenschutzausschusses für zahlreiche schwer umstrittene Ergänzungsanträge zum EU-Telekompaket verantwortlich, am Mittwoch seine Kritiker an und bezichtigte sie der "Angstmacherei".
Konkret hatten zahlreiche Bürgerrechtsinitiativen unter anderem in Frankreich [La Quadrature du Net] und Deutschland [Netzpolitik.org] auf die von Harbour eingebrachten Änderungsanträge aufmerksam gemacht, die nationale Regulierungsbehörden und Provider dazu verpflichten würden, den Datenverkehr im Netz zu überwachen und ihre User bei Urheberrechtsverletzungen auf Hinweis der Rechteinhaber abzumahnen.
"Three Strikes Out"
Auch Peter Hustinx, oberster Datenschützer der EU, hatte nach der jüngsten Debatte zum Telekompaket im EU-Parlament am 2. September in einer ungewöhnlich deutlichen Mitteilung jene von Harbours Änderungsanträgen scharf verurteilt, deren Umsetzung letztlich zu einer EU-weiten Einführung des umstrittenen französischen Anti-Piraterie-Gesetzes HADOPI alias "Three Strikes Out" führen würde. Die damit einhergehende anlasslose Überwachung des Datenverkehrs sei nicht mit den EU-Datenschutzregeln vereinbar.
Besonders der von Harbour eingebrachte Änderungsantrag 9 hat es in sich. Er verpflichtet die nationalen Regulierungsbehörden und die Provider zur Weitergabe von Warninformationen an User, die gegen das Urheberrecht verstoßen haben.
Copyright-Debatte erzeugt Unmut
"Das Telekompaket der EU wird den Verbrauchern im Zeitalter der modernen Telekommunikation neue Rechte geben", erklärte Harbour in seiner Stellungnahme. "Es wird nicht als ein Werkzeug zur Durchsetzung des Copyrights dienen, wie einige Leute unrichtigerweise behaupten." In einer offiziellen Stellungnahme zur Debatte vom 2. September hatte die französische SP-Abgeordnete Catherine Trautmann, die für den Industrieausschuss das Telekompaket betreut, ausdrücklich bedauert, dass die Copyright-Fragen in den Gesetzgebungsprozess eingeschleust wurden.
Harbour weist auf die anderen Regelungen des Telekompakets hin. So müssten Provider vor Abschluss von Verträgen ihre Kunden auf eventuelle Einschränkungen ihrer Dienstleistungen hinweisen - beispielsweise wenn ein Telefonieanbieter in seinem Netz die Benutzung von Skype untersagt. Ob es für die Konsumenten nicht noch besser wäre, wenn es den Providern im Sinne der Netzneutralität untersagt wäre, bestimmte Dienste zu sperren, steht freilich auf einem anderen Blatt.
Probleme mit der Netzneutralität
Harbours Änderungsantrag 13 sieht im Gegenteil vor, dass "Maßnahmen im Rahmen des Netzwerkmanagements, die z. B. dazu dienen, Überlastungen und Kapazitätsengpässe zu bekämpfen oder neue Dienste zu ermöglichen, [...] an sich nicht als Beispiele für Beschränkungen dienen [sollten], die ein Eingreifen erfordern [...]."
Was an sich harmlos klingt, zeigt sich spätestens dann in einem anderen Licht, wenn man sich daran erinnert, dass der US-Provider Comcast ohne Mitteilung an seine User den P2P-Verkehr in seinem Netz gezielt gestört und sich dabei auch auf sein Recht auf Netzwerkmanagement berufen hatte. Die US-Regulierungsbehörde FCC hat Comcast wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der Netzneutralität gerügt. Ginge Harbours Zusatz durch, wäre die Position nationaler Regulierer gegenüber solchen Maßnahmen unter Umständen geschwächt.
Sinnvolle Änderungen
Harbour erwähnt aber auch sinnvolle Änderungen, die das Telekompaket mit sich bringt und für die es ursprünglich auch gedacht gewesen war. So wird die Vertragsbindung EU-weit auf 24 Monate beschränkt und der Zugang behinderter Nutzer zu den Netzen erleichtert. Außerdem ist vorgesehen, dass Provider bei einem Wechsel maximal einen Arbeitstag in Anspruch nehmen dürfen, um die Telefonnummer eines Users auf das neue Netz umzustellen.
Das EU-Parlament wird am 23. September über die Änderungsanträge zum Telekompaket abstimmen.
(futurezone | Günter Hack)