Ringen um das Telekompaket dauert an

17.09.2008

Sollen die umstrittenen Formulierungen zur Kooperation zwischen Providern und Medienindustrie im neuen Telekomgesetzespaket der EU bleiben oder nicht? ORF.at hat sich in Brüssel umgesehen und dabei festgestellt: Es bleibt bis zur Abstimmung am 23. September spannend - und noch darüber hinaus.

Die Parlamentarier hatten wenig Zeit, sowohl die spanische Abgeordente Pilar del Castillo wie auch Malcolm Harbour, der Berichterstatter des Verbraucherschutzausschusses [beide EPP DE] mussten die Veranstaltung nach kurzer Zeit wieder verlassen. Beide hatten denselben dringenden Termin zum selben Thema.

Während des Seminars, das das EU-Parlament am Mittwoch in Brüssel zum Telekompaket veranstaltet hat, tagte die Konservative Fraktion, denn entgegen anderslautenden Medienberichten stehen die genauen Formulierungen der Gesetzesnovelle noch längst nicht endgültig fest.

"Einige Punkte des Pakets waren sehr schwierig zu verhandeln", bestätigte auch der Abgeordnete Alexander Alvaro [Liberale], der während der vergangenen Woche für seine Fraktion ein Kompromisspapier mit den anderen Klubs ausgehandelt hatte.

Schutz des "geistigen Eigentums"

So habe es zum Beispiel lange Diskussionen über die Art und Weise der Meldepflicht von Datenverlusten durch Unternehmen gegeben, zum Umgang mit Cookies und Programmen, die "Daten von der Festplatte nach Hause funken", so Alvaro.

Und dann gab es jene Diskussionen, die das gesamte Werden des Telekompakets überschatteten und über den Kulturausschuss des Parlaments in eine Novelle gekommen waren, in der sie nach Meinung vieler Abgeordneter nichts zu suchen hatten: Schutz des "geistigen Eigentums".

Eine ganze Reihe von Anträgen zu diesen Abschnitten im Telekompaket trug - teilweise mehr als deutlich - die Handschrift der "Rechteinhaber", also der Film- und Musikindustrie, sowie der französischen Ratspräsidentschaft. Die französische Regierung und Staatspräsident Nicolas Sarkozy versuchen bekanntlich gerade, ein Gesetz ["Loi HADOPI"] durch die Instanzen zu schleusen, das beim dritten Verstoß gegen Urheberrechte durch Internet-Nutzer - Stichwort Tauschbörsen - das Sperren des Netzzugangs vorsieht.

Backdoor für Sarkozy

Seine Novelle der Universaldiensterichtlinie "war nie so gemeint", so Harbour nach seiner Wiederkehr ins Seminar. Er fühle sich von Vorwürfen, er wolle ein zweites "Loi HADOPI" nach dem Muster Sarkozys einführen, in seiner Integrität angegriffen. Es habe keine Treffen seinerseits mit Vertretern der Content-Industrie gegeben noch sei vonseiten der Ratspräsidentschaft interveniert worden, so Harbour weiter. Alle Formulierungen seien ausschließlich in Bezug auf Konsumentenschutz zu verstehen.

Schließlich müssten die Internet-Benutzer vor Gefahren gewarnt werden, zum Beispiel vor Phishing und anderen "ungesetzlichen" oder "schädlichen" Praktiken. Darüber müssten die Kunden schließlich informiert werden.

Und außerdem: "Alle Maßnahmen zur Stärkung der Urheberrechte fallen in die Zuständigkeit der Mitgliedsstaaten." Das kann wohl als Schlüsselsatz und Erkärung gelten für den Eiertanz, den vor allem die Konservativen um Formulierungen zur "Kooperation" von Internet-Providern und Regulierungsbehörden mit der Content-Industrie aufgeführt haben. Man versuchte ganz einfach, Formulierungen zu finden, die das Gesetzesvorhaben Sarkozys bei einiger Interpretationsfreiheit nicht ausschließen.

Französischer Ratsvorsitz wartet schon

Als allererstes Beispiel für Gefahren, vor denen Internet-Benutzer gewarnt werden sollen, nennen diverse vorläufige, von Harbour und Vertretern der Sozialdemokraten und Liberalen ausgehandelte Kompromisspapiere aber ausgerechnet Urheberrechtsverletzungen. Danach erst kommen Warnungen vor Risiken für die Privatsphäre und Gefährdung der persönlichen Sicherheit.

Diese Pflicht zur Warnung der Kunden vor Gefahren der Verletzung "geistiger Eigentumsrechte" stellt bei Sarkozys Gesetzvorhaben den ersten Schritt von drei zu Internet-Sperren dar. Sanktionierung von Urheberrechtsverstößen - Schritte zwei und drei im "Loi HADOPI" geht die EU nichts mehr an, weil das auf nationaler Ebene geregelt wird.

Das Novellenpaket, mit dem gleich drei EU-Richtlinien auf den neuesten Stand gebracht sollten, wird am Dienstag im Plenum abgestimmt, doch damit ist der Prozess längst nicht beendet. Das Richtlinienpaket muss noch durch den Ministerrat, in dem derzeit Frankreich den Vorsitz stellt.

(futurezone | Erich Moechel)