"Innovationen kommen von außerhalb"

rundfunkforum
18.09.2008

Wolfgang Blau, Chefredakteur der "Zeit Online", sieht traditionelle Medienhäuser durch das Internet zunehmend unter Druck geraten.

Eigentlich hätte Wolfgang Blau zum Auftakt des vierten Österreichischen Rundfunkforums am Donnerstag in Wien über Online-Medien im Jahr 2020 reden sollen. Das tat er dann doch nicht. Denn Leuten, die behaupten, so weit in die Zukunft blicken zu können, solle man mit Vorsicht begegnen, sagte Blau: "Es ist schwierig genug zu verstehen, was heute passiert."

Das Internet sei mehr als nur die "vierte Mediensäule" neben Print, Fernsehen und Radio. Traditionelle Medienhäuser würden jedoch den Fehler begehen, "die neuen Medien durch die Brille der alten zu sehen".

Wolfgang Blau ist seit März dieses Jahres Chefredakteur der "Zeit Online". Davor arbeitete er als freier Journalist in den USA und Deutschland. 1999 startete Blau für "Die Welt" das erste Online-Audioportal einer europäischen Tageszeitung. Auch für "Die Zeit" entwickelte er 2003 ein Konzept für eine Online-Audioausgabe.

Grenzen verschwimmen

Die Grenzen zwischen Profi und Amateur, privat und öffentlich sowie kommerziell und nichtkommerziell würden in dem vernetzten Umfeld zunehmend verschwimmen.

Als ein Beispiel führte Blau die US-Plattform EveryBlock an, bei der Nutzer nach Eingabe ihrer Postleitzahl Informationen zu ihrer Nachbarschaft bekommen, von Baugenehmigungen über Kriminalstatistiken bis hin zu Grundstückpreisen und Restaurantkritiken. Traditionellen Medien würden neue Konkurrenten erwachsen, die nicht notwendigerweise kommerzielle Absichten hätten, aber dennoch für die Geschäftsmodelle der Medienhäuser bedrohlich seien.

Leute, die auf der Microblogging-Plattform Twitter Nachrichten posten und über Nachbarschaftsplattformen wie FixMyStreet auf Ungereimtheiten in ihrer Umgebung aufmerksam machen, würden ebenso Aufgaben traditioneller Medien übernehmen.

"Tägliche Wochenzeitung"

Tageszeitungen könnten mit dem Nachrichtenstrom aus dem Netz in puncto Aktualität nicht mithalten. Sie müssten Hintergrundberichterstattung und Analysen bieten und würden zu "täglichen Wochenzeitungen" mutieren. Auch Journalisten müssten sich ändern. Es gelte, mit den Lesern zu kommunizieren und die Anregungen des Publikums aufzugreifen.

Radio auf den Kopf gestellt

Aber auch das Radio werde zunehmend von der Konkurrenz aus dem Netz bedrängt, sagte Blau: "Online-Musikdienste wie last.fm und Pandora haben das Radio auf den Kopf gestellt." Nutzer würden über diese Dienste Neues über den eigenen Musikgeschmack erfahren und Musik ohne Werbeunterbrechung hören können. Radiomacher hätten auf die Möglichkeiten des Netzes hingegen nicht reagiert und stattdessen Livestreams online angeboten und so den einzigen Nachteil des Netzes betont: "Dass es noch nicht ausreichend mobil ist."

Die Medienhäuser seien in eine Mentalitätsfalle getappt, so Blau: "Sie haben Offline-Sichtweisen eins zu eins auf das Netz übertragen." Es habe Außenseiter gebraucht, um das Radio dem neuen Medium anzupassen. Als weiteres Beispiel nannte Blau Podcaster, die aufgezeigt hätten, dass Radio im Netz auch innovativ sein könne.

Innovationen aus dem Netz

Innovationen würden nicht mehr aus der Branche kommen, sondern von außerhalb. Weblogs, Foto-Sharing-Plattformen wie Flickr und Online-Videodienste wie YouTube hätten erkannt, dass das Publikum teilhaben wolle. Medienentwicklung sei heute ständige Kurskorrektur, so Blau: "Keiner ist heute noch auf Kurs."

Bei Online-Videos sieht Blau die Entwicklung noch am Anfang. Der Nachbau einer Fernsehschrankwand im Internet habe jedoch keine Zukunft. Videos seien noch zu wenig interaktiv, sie müssten kommentier- und durchsuchbar werden.

Betriebssystem für Demokratie

Das Internet werde zunehmen zum Betriebssystem der Wirtschaft und Demokratie, mahnte Blau: Das Netz müsse offen bleiben und dürfe nicht durch an den Fundamentalismus erinnernde Urheberrechte und Patente eingezwängt werden.

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(futurezone | Patrick Dax)