Neue Chance für Jammie Thomas

justiz
25.09.2008

Ein US-Gericht hat entschieden, dass der bisher spektakulärste Filesharing-Fall der USA neu aufgerollt werden muss. Die Krankenschwester Jammie Thomas wurde in erster Instanz zur Zahlung von 222.000 US-Dollar verurteilt, weil sie 24 Songs in einer Tauschbörse angeboten hatte.

Der erste Prozess in den USA wegen illegaler Musik-Downloads wird neu aufgerollt. Richter Michael Davis sagte am Mittwoch, er habe dem Antrag auf einen neuen Prozess zugestimmt, weil er einen Fehler bei seinen Hinweisen für die Geschworenen gemacht habe. Dadurch seien diese sehr voreingenommen gewesen.

Thomas wurde im Oktober vergangenen Jahres wegen Verstoßes gegen das Urheberrecht zur Zahlung von 222.000 Dollar [149.762 Euro] an sechs Plattenfirmen verurteilt. Sie hatte 24 Songs in der Tauschbörse KaZaA angeboten. Thomas war in Berufung gegangen.

Nach fünf Minuten schuldig

In einem Interview mit dem Wired-Weblog Threat Level berichtete Michael Hegg, Mitglied der Jury im Prozess der US-Musikindustrie gegen Thomas, wie das Laiengremium die 30-jährige alleinerziehende Mutter zu einer Strafe von 222.000 US-Dollar für das Filesharing von 24 Musikstücken verurteilt hatte.

Laut Hegg, einem 38-jährigen Arbeiter in einem Stahlwerk in Duluth in Minnesota, der nach eigenen Angaben das Internet nicht nutzt, hatte die Jury Thomas bereits nach fünf Minuten für schuldig befunden.

Danach habe man fünf Stunden lang über die Höhe der Strafe debattiert und sich dabei auf 9.250 Dollar pro Song geeinigt. Zwei der Jurymitglieder, darunter ein Bestattungsunternehmer, hätten für die Höchststrafe von 150.000 Dollar pro Lied plädiert, nur ein Jurymitglied war dafür, Thomas nur die Minimalstrafe von 750 Dollar pro Datei zahlen zu lassen.

Eskalation seitens Musikindustrie erwartet

Zur Debatte steht dabei, ob die Musikindustrie beweisen muss, dass auch irgendjemand die bereitgestellten Songs heruntergeladen hat, wie das der Rechtsanwalt von Thomas gefordert hatte. Die Industrie hatte erklärt, es reiche aus, wenn jemand urheberrechtlich geschütztes Material zur Kopie anbiete.

Thomas sagte, sie sei sehr glücklich über die Entscheidung. "Nun müssen sie ihre Vorwürfe beweisen", sagte Thomas, die als erste von Tausenden Verklagten vor Gericht stand. Sie erwarte, dass die Musikindustrie Berufung gegen die Entscheidung einlegen werde und dass die ganze Frage, wie das Urheberrecht zu interpretieren sei, bis vor den Obersten Gerichtshof gehen werde.

Richter Davis wandte sich gleichzeitig auch an den Kongress, der die Rechtslage ändern solle, um künftig in ähnlichen Fällen derart überzogene Schadenersatzforderungen zu verhindern. Er verwies darauf, dass die 24 Songs drei CDs und damit weniger als 54 Dollar entsprächen. Der Schadenersatz sei also beim mehr als 4.000-Fachen gelegen. Er sei überzeugt, dass zur Abschreckung illegaler Downloads auch das Hundertfache ausreichen würde.

(AP | APA)