Sarkozys Griff nach der Medienmacht

30.09.2008

Der französische Präsident Nicolas Sarkozy will die Krise der traditionellen Medien dazu nutzen, um Gesetze gegen die Medienkonzentration zu kippen. Nutznießer ist ein Netzwerk sehr enger Freunde des Präsidenten. Sarkozys Pläne haben auch Auswirkungen auf die Internet-Freiheit in der EU, wie der Kampf um das Telekompaket zeigt.

"Die französischen Medien stehen am Rande des Abgrunds", sagte Sarkozy. Wie ein Tsunami fege das Internet die alten Strukturen hinweg. Zur Lösung des Problems plant Sarkozy eine umfassende Medienrevolution. "Starke Multimedia-Konzerne" sollen den Wandel gestalten.

Die Gewerkschaften sehen darin vor allem einen Versuch, Sarkozys Verlegerfreunden mit einem Medienmonopoly zu lukrativen Geschäften zu verhelfen und die Presse weiter unter Kontrolle zu bekommen.

Schwäche der Zeitungen nutzen

"Binnen 60 Jahren sind rund 100 Tageszeitungen verschwunden", sagte Kulturministerin Christine Albanel. Die Franzosen lesen halb so viel Zeitung wie die Deutschen. Um die Pressevielfalt zu sichern, stützt der Staat schon jetzt die Medien mit jährlich 283 Millionen Euro.

Ohne Staatshilfe gäbe es Blätter wie die katholische "La Croix" und die kommunistische "L'Humanite" nicht mehr, aber auch die "großen" Zeitungen wären gefährdet. Der subventionierte Vertrieb ist so schlecht organisiert, dass der Axel-Springer-Konzern das Projekt einer französischen "Bild"-Zeitung kurz vor dem Start abbrach.

Sarkozy und Kulturministerin Albanel sind die treibenden Kräfte hinter dem französischen Internet-Sperrgesetz "Loi HADOPI", das eine Behörde installieren würde, die auf Zuruf der Medienindustrie Nutzern nach dem dritten Urheberrechtsverstoß die Internet-Zugänge sperren soll.

Medienkonzentration bei guten Freunden

Am Donnerstag will Sarkozy die Medienrevolution auf den Weg bringen. Seine Mitstreiterin Daniele Giazzi hat dafür 34 Vorschläge ausgearbeitet. Von der Zeitung "Liberation" über das Magazin "Marianne" bis zu neuen Internet-Medien wie Mediapart sehen die Kritiker vor allem Vetternwirtschaft.

Denn Giazzi plädiert für die Schaffung "internationaler Champions" der Medienbranche. Die Gesetzeshürden für die Konzentration von Zeitungen, Fernsehen und Rundfunk in einer Hand sollen fallen.

Die Unternehmer, die solche Medienchampions aufbauen könnten, gehören alle zu Sarkozys Freundeskreis: Martin Bouygues, Vincent Bollore, Arnaud Lagardere, Serge Dassault und Bernard Arnault. Der Bauunternehmer und TV-Boss Bouygues ist ein Trauzeuge Sarkozys, genauso wie Arnault, der Chef des Luxusgüterkonzerns LVMH und Finanzzeitungsverleger.

Der Luxuskonzern LVMH übt starken Druck auf das Internet-Auktionshaus eBay aus. EBay unternehme zu wenig gegen den Verkauf gefälschter Luxusgüter auf seiner Plattform, so LVMH anlässlich des Urteils eines Pariser Gerichts, das eBay im Juni zur Zahlung von 40 Millionen Euro an den Luxusgüterhersteller verpflichtet hat.

Unter der französischen EU-Ratspräsidentschaft gibt es zahlreiche Initiativen gegen Produktpiraterie, die das Potenzial haben, auch wichtige Bürgerrechte einzuschränken.

Waffen, Medien, Lobbyisten

Der EADS-Großaktionär und Großverleger Lagardere ["Paris Match"] nennt sich "Bruder" Sarkozys; sein Vater hatte ihn einst der Obhut des Vollblutpolitikers anvertraut. Der Flugzeugbauer Dassault steht als "Figaro"-Chef und Parteifunktionär an Sarkozys Seite. Und der Multi-Unternehmer Bollore stellt dem Staatschef Privatjet und Jacht für den kostenlosen Luxusurlaub.

"Medienunternehmen müssen gedeihen können wie andere auch", sagt Giazzi und verweist dabei auf Rupert Murdochs weltumspannende News Corporation. "Murdoch kauft, was er kann." Das Gesetz gegen Medienkonzentration habe seinen Sinn verloren, denn das Internet verschmelze alle Medien.

Die Journalistengewerkschaft SNJ-CGT nennt diese Argumentation "extrem gefährlich". "Die Welt des Geldes legt die Hand auf die Information." Giazzi hält dagegen: "Ohne Rentabilität gibt es weder Unabhängigkeit noch Qualität."

Nachdem der Vorstoß der Medienindustrie zur Ermöglichung von Internet-Sperren bei Urheberrechtsverstößen im EU-Parlament gescheitert war, warf Sarkozys Partei UMP den französischen Sozialdemokraten vor, die Kreativindustrie nicht vor Schwarzkopierern schützen zu wollen.

Die EU-Abgeordnete Catherine Trautmann hatte bei der Abstimmung im EU-Parlament am 24. September in Brüssel in letzter Sekunde einen Zusatz ins Telekompaket eingebracht, der die von Sarkozys Partei vorgesehene Verfolgung von Filesharern vorbei an traditionellen rechtsstaatlichen Strukturen verunmöglichen würde. Die französische Bürgerrechtsinitiative La Quadrature du Net wirft der UMP vor, gegen die Entscheidung des EU-Parlaments weiter vorgehen zu wollen und damit die Entscheidung der Volksvertreter zu ignorieren.

Privatisierung der Nachrichtenagentur

Proteste löst auch die geplante Reform der Nachrichtenagentur AFP aus. Die Gewerkschaften haben zwar nichts gegen zusätzliche Subventionen für die Internet-Technik der Agentur, fürchten aber ihre Umwandlung in eine für Privatinvestoren offene Aktiengesellschaft.

Das passe zum geplanten Verbot der Werbung im öffentlichen Fernsehen und zur Beschneidung der Autorenrechte der Journalisten: Es diene privaten Profitinteressen und gefährde die Pressefreiheit.

Giazzi schlägt vor, die Freiheit der Medien in der Verfassung zu verankern und zudem einen Wächter über den Pluralismus zu schaffen. Doch das kann die Kritiker nicht beruhigen. Denn der Medienwächter soll ausgerechnet beim Premierminister angesiedelt werden.

Und Sarkozys Partei UMP hat mehrfach versucht, mit dem Argument des Pluralismus die Berichterstattung der AFP zu beeinflussen. Jetzt stehen erst einmal wochenlange Reformdebatten an, die "Etats generaux de la presse". Bis Weihnachten sollen die Grundzüge der Reform stehen. "Sarkozy hat den Mut, sich um die Modernisierung der Medien zu kümmern", sagt Giazzi.

(dpa | futurezone)