Sprachen lernen in der Community
Die Online-Plattform busuu.com will das Lernen von Fremdsprachen erleichtern. Sie setzt auf spielerische Elemente und den Austausch der Nutzer untereinander. Der Wiener Bernhard Niesner hat das in Madrid ansässige Unternehmen mitgegründet - Teil zwei der futurezone.ORF.at-Serie "Start-up-Geschichten".
Rund zwölf Milliarden Euro werden laut einschlägigen Studien jährlich weltweit für das Sprachenlernen ausgegeben. Einen kleinen Teil davon haben auch Niesner und sein aus Liechtenstein stammender Geschäftspartner Adrian Hilti in die Erweiterung ihrer eigenen Sprachkenntnisse investiert. Für das MBA-Studium [Master of Business Administration] am Instituto de Empresa in Madrid, bei dem die beiden einander kennenlernten, mussten sie sich die notwendigen Fremdsprachen mitunter mühsam aus Lehrbüchern und über CD-ROMs aneignen. Anschließend beschlossen sie: Das muss auch einfacher gehen.
"Damals war sehr viel von Social-Networking-Sites die Rede, und wir haben uns gefragt, wie sich Sprachenlernen mit Online-Communitys verbinden lässt", erzählt Niesner. Die Antwort war schnell gefunden. Innerhalb weniger Monate entwickelten sie den Prototypen für eine Social-Networking-Site, die sich ganz dem Lernen und Üben von Fremdsprachen widmet. Anfang 2008 gründeten sie schließlich in Madrid busuu.com.
Lerneinheiten und Online-Konversation
Derzeit können vier Sprachen auf busuu.com erlernt werden: Englisch, Spanisch, Französisch und Deutsch. Geboten werden rund 80 von Experten zusammengestellte Lerneinheiten zu unterschiedlichen Themengebieten, die vom "Restaurantbesuch" bis zum "ersten Date" reichen.
Die erlernten Sprachkenntnisse können im Video-Chat mit anderen busuu.com-Nutzern verfestigt und ausgebaut werden. "Bei busuu.com ist jeder User nicht nur Schüler einer Fremdsprache, sondern gleichzeitig auch Lehrer seiner eigenen Muttersprache", so Niesner.
"Tamagotchi-Modell"
Lernfortschritte können die Nutzer anhand von "Sprachgärten" verfolgen. "Lernt man fleißig, wachsen die Sprachbäume. Lässt der Eifer nach, dann verkümmert der Sprachgarten", erläutert Niesner: "Wir haben ein Tamagotchi-Modell implementiert."
Durch solche spielerischen Elemente sowie die Erstellung des Lernmaterials durch Spezialisten und die individuelle Auswahl der Lernmodule will sich busuu.com von ähnlichen Community-basierten Sprachlernangeboten, wie etwa Babbel, Phrasebase und italki, unterscheiden.
Mittlerweile hat busuu.com, das seit März dieses Jahres in einer Beta-Version online ist, rund 30.000 Nutzer aus aller Welt. Laut Niesner kommen täglich 600 bis 1.000 neue dazu. Bis auf Nordkorea und einige kleinere Länder in Afrika seien alle Länder der Welt vertreten.
Busuu.com-Mitgründer Bernhard Niesner.
Vor der Gründung von busuu.com war Niesner [29] beim Unternehmensberater Roland Berger tätig. Sein Geschäftspartner Hilti [34] sammelte IT-Erfahrungen beim Schweizer Start-up Stockfish und arbeitete beim Beratungsunternehmen Arthur D. Little. Neben den beiden Gründern sind derzeit drei Vollzeitkräfte bei busuu.com in den Bereichen Programmierung und Lernmaterialerstellung beschäftigt. Praktikanten und Freelancer werden noch gesucht.
Kontakte mit Kapitalgebern
Finanziert wird busuu.com vorerst aus privaten Mitteln der beiden Gründer. Kontakte mit Kapitalgebern wurden laut Niesner bereits geknüpft: "Wir sind an 'Smart Money' interessiert und suchen jemanden, der nicht einfach nur Geld zur Verfügung stellt, sondern auch Kontake in die Internet-Branche hat."
Premium-Dienste und Werbung
Geld verdienen wollen die busuu.com-Gründer mit Premium-Services und Werbung. In einigen Monaten sollen busuu.com-User gegen eine monatliche Gebühr Zusatzdienste nutzen können. Neben Podcasts denken die beiden zum Beispiel an eine Erweiterung der Übungen. In der Grundversion soll der Dienst aber auch weiterhin gratis bleiben.
Derzeit suchen sie auch nach "intelligenten Werbeformen". Banner-Werbung im Vokabelteil werde es nicht geben, so Niesner: "Wir sind eine Lernplattform und wollen niemanden stören." Das Sponsorship themenbezogener Lerneinheiten durch Unternehmen sei jedoch denkbar.
Der Plan der Unternehmensgründer sieht vor, bereits im kommenen Jahr schwarze Zahlen zu schreiben.
Mobile Applikationen
Als "nächsten großen Schritt" sieht Niesner die Erweiterung des Angebots auf mobile Applikationen. Mit der Entwicklung von Programmen für das iPhone und die Google-Plattform Android soll demnächst begonnen werden.
Von solchen mobilen Angeboten erhofft sich Niesner auch zusätzliche Umsätze: "Da seh' ich extrem viel Potenzial."
Weitere Sprachen
Auch das Sprachenangebot der Plattform soll wachsen: Mandarin, Russisch, Portugiesisch und Italienisch sollen bis Jahresende auf busuu.com verfügbar sein.
Eine weitere Sprache kann auf der Plattform bereits jetzt erlernt werden: Silbo Gomero. Die vom Aussterben bedrohte Pfeifsprache, mit der sich die Einwohner der spanischen Insel La Gomera über Täler und Schluchten hinweg verständigen, wird seit Anfang der Woche in einem Online-Video unterrichtet.
Noch nicht auf busuu.com gelernt werden kann hingegen die gleichnamige Sprache Busuu aus Kamerun. Laut einer ethnologischen Studie wird sie von lediglich acht Personen gesprochen.
"Warum auf Sprachen beschränken?"
Über kurz oder lang will Niesner busuu.com zu einer der führenden Plattformen für Sprachenlernen weltweit machen.
Vorstellbar sei auch, das busuu.com-Modell auf andere Gebiete, etwa Physik und Mathematik, zu übertragen: "Wir sehen, wie sehr es die Leute motiviert, wenn sie ihr Wissen einbringen und mit anderen teilen können", sagt Niesner: "Warum soll sich busuu.com auf Sprachen beschränken?"
"Start-up-Geschichten"
Im Rahmen der Serie "Start-up-Geschichten" berichtet futurezone.ORF.at über innovative Web-Unternehmen. Bisher erschienen:
(futurezone | Patrick Dax)