Bild: Nokia, ORF.at (Montage)

Nokia-Frontalangriff auf Apple

02.10.2008

Der finnische Handyriese Nokia nimmt mit seinem neuen Musikdienst "Comes with music" und dem Touchscreen-Handy "Tube" den Online-Musikmarktführer und iPhone-Hersteller Apple in die Zange.

Am Donnerstagabend präsentierte Nokia in London und Singapur seinen bereits seit längerem angekündigten Online-Musikdienst "Comes with Music".

Der Musikdienst, der gemeinsam mit einer Reihe von Nokia-Mobiltelefonen, darunter das ebenfalls am Donnerstag präsentierte Touchscreen-Handy Nokia 5800 Xpress Music, angeboten wird, ist eine Abonnementmodell, bei dem Handykäufer für ein Jahr lang kostenlos Zugriff auf den gesamten Katalog der kooperierenden Labels hat.

"Comes with music" soll in Großbritannien ab 16. Oktober erhältlich sein. In Österreich soll der Dienst 2009 starten, sagte eine Nokia-Sprecherin zu ORF.at. Der genaue Starttermin ist noch nicht bekannt.

Kopierschutztücken

Der von Nokia angebotene Musikkatalog umfasst mehr als zwei Millionen Titel von den vier großen Musikkonzernen [Universal, Warner, Sony und EMI] und zahlreichen unabhängigen Labels.

Nutzer des Dienstes dürfen die heruntergeladenen Tracks auch nach Ablauf des Jahres behalten. Allerdings verkompliziert der von Nokia eingesetzte Microsoft-Kopierschutz PlayForSure die Archivierung und das Abspielen der Tracks. Die Songs können lediglich auf registrierten Geräten [Handy und PC] wiedergegeben werden. Auf CD können die Titel nicht gebrannt werden.

Der Download der Songs ist nach Angaben von Nokia sowohl über PC als auch direkt über das Handy möglich.

"Comes With Music" wird neben dem Nokia 5800 XpressMusic auch mit dem Nokia N96, dem Nokia N95 8GB und dem Nokia 5310 Xpress Music angeboten. Letzteres soll zum Start in Großbritannien inklusive Musikdienst rund 130 Pfund [166 Euro] kosten.

Touchscreen-Handy

Das Nokia 5800 Xpress Music.

Nokia präsentierte am Donnerstag auch das Touchscreen-Handy Nokia 5800, das unter dem Projektnamen "Tube" bereits im Vorfeld für Aufregung in Weblogs und Branchendiensten sorgte.

Der iPhone-Konkurrent läuft unter dem Betriebssystem Symbian S60.Der Touchscreen hat eine Auflösung von 640 mal 360 Pixel, der Bildschirm ist im Gegensatz zum iphone druckempfindlich. Es verfügt über WLAN und Bluetooth und funkt im 850- und 1900-MHz-Band. Weiterhin ist eine Kamera mit 3,2 Megapixel Auflösung eingebaut. Kopfhörer lassen sich über einen üblichen 3,5mm-Anschluss mit dem Gerät verbinden. Als Speichermedien dienen microSD-Karten, eine Karte mit 8 GB Kapazität ist bereits mitgeliefert.

Das Handy kostet ohne Vertrag 279 Euro und soll in Österreich im ersten Quartal 2009 erhältlich sein.

Konkurrenz für iTunes Store

Mit "Comes with Music" verschärft Nokia auch die Gangart gegen den Konkurrenten Apple, dem Marktführer im Online-Musikgeschäft. Apple und Nokia kämpfen mit unterschiedlichen Mitteln um den selben Markt, sagte Gartner-Analyst Mike McGuire. Während Apple auf Pay-per-Track-Downloads setze, versuche Nokia mit einem aboähnlichen Modell Boden gut zu machen.

Musikkonzerne mit großen Hoffnungen

Neben Nokia hat auch der Konkurrent Sony Ericsson mit "PlayNow plus" ein Musikabomodell angekündigt. Die krisengeschüttelten Musikkonzerne hoffen, mit den von den Hardware-Herstellern subventionierten Diensten den Musiktausch in Filesharing-Netzwerken eindämmen und Rückgänge im CD-Verkauf wettmachen zu können. Mit Services wie "Comes with music" biete die Musikindustrie erstmals eine ernsthafte Alternative zu Online-Tauschbörsen, sagte Mark Mulligan, Analyst beim Marktforschungsunternehmen Jupiter Research.

Eine von Jupiter Research am Mittwoch veröffentlichte Studie geht davon aus, dass "Comes with music" und ähnliche Angebote die Umsätze mit digitaler Musik in den nächsten fünf Jahren um 15 Prozent steigen lassen, der Großteil davon soll aus Lizenzeinnahmen kommen. Die Hälfte der Leute, die sich in Umfragen des an dem Dienst interessiert gezeigt hätten, würden auch Online-Tauschbörsen nutzen, schrieb Studienautor Mulligan in seinem Weblog.

Das Marktforschungsunternehmen warnte jedoch auch vor all zu großer Euphorie. Die Zahlungsbereitschaft der Kunden sei gering. Lediglich fünf Prozent der potenziellen Handykäufer sei bereit einen Aufpreis für ein Musikabo zu bezahlen. Damit Dienste wie "Comes with music" auf breiter Basis angenommen werden, müssten die Kosten für die Musik zur Gänze von den Hardware-Herstellern übernommen werden, heißt es in dem Report von Jupiter Research.

Zuletzt war auch aus dem Verband der österreichischen Musikwirtschaft [IFPI] zu hören, dass man Hardware-Hersteller und Internet-Anbieter als Partner für den Aufbau eines solchen Geschäftsmodells gewinnen wolle.

(futurezone | Reuters)