Online-Reiseführer selbst gemacht
"Das jeweilige Profil gehört dem Benutzer und sonst niemandem. Bei uns laufen keine oberschlauen Programme im Hintergrund." Nichts sei authentischer als jene Informationen, die von den Usern aus Eigeninteresse eingegeben werden, sagt Roland Fleischhacker vom Start-up Lovo.cc.
Es ähnelt zwar dem mittlerweile im Web omnipräsenten Typus Social Network, denn die Benutzer legen Profile an und geben dort ihre Vorlieben ein.
Noch dazu zielt Lovo explizit auf das Freizeitverhalten ab, doch als Soziales Netzwerk will Fleischhacker, Gründer des österreichischen Start-ups, das Lifestyle-Portal nicht verstanden wissen.
Echtzeit, Experten, System
Die Hauptfunktion sei nämlich die eines Echtzeit-Ratgebers und "Expertensystems" für Freizeitgestaltung von Gastronomie über Sport und Kultur.
Anders gesagt: "Lovo ist ein hoch spezialisierter Reiseführer, der Methoden der Social Networks auf andere Weise nutzt."
Erhältlich sind die auf einem Benutzerprofil basierenden, ortsbezogenen Tipps für Lokale, Sport und Sehenswürdigkeiten nämlich wahlweise via Netz oder als simples SMS auf das Handy irgendeines Netzbetreibers.
Semantik und der Kletterkurs
Dieses Expertensystem oder "Context-Sensitive Recommender System" übersetze - verkürzt gesagt - jedes Objekt in eine semantische Metasprache, so Fleischhacker.
Und was bedeutet das in der Praxis?
Vormittags gebe es andere, ortsbezogene Tipps als in der Nacht, bei 35 Grad im Schatten werden dem Kulturbeflissenen eben die Katakomben zur Ansicht empfohlen statt des Freilufttheaters. Wie dem Sportbegeisterten bei hoher Gewitterwahrscheinlichkeit vor Ort eben nicht der Kletterkurs in der Klamm empfohlen wird.
Peer-Groups, Ratings
Statt der teils offen einsehbaren Freundeskreise bei Facebook und Co gibt es bei Lovo hinter den Kulissen 15 Lifestyle-Gruppen, die überschneidend mit Mehrfachzugehörigkeiten alle Benutzer abdecken.
Offen angezeigt wird das bei Lovo nicht.
Die Ratings werden vor allem unter dem Aspekt der jeweiligen Peer-Group betrachtet. Das bedeute, meint Fleischhacker, dass nicht zwei über 50-Jährige die Ratings für ein Lokal verzerren, in dem vor allem unter 20-Jährige zugange sind.
"Keine oberschlauen Programme"
Noch eines unterscheide Lovo von herkömmlichen Social Networks, und darauf legt Fleischhacker besonderen Wert: "Das jeweilige Profil gehört dem User und sonst niemandem. Bei uns laufen keine oberschlauen Programme im Hintergrund."
Es würden weder Verhaltensweisen analysiert noch gar Bewegungsprofile erstellt, zumal das höchst fragwürdige und obendrein wenig zielführende Methoden seien, sagt Fleischhacker.
Benutzer könnten sich auf Bestellung bei Lovo zwar über das Handy orten lassen, diese Daten würden aber nicht gespeichert.
Authentische Informationen
"Wir verlassen uns lieber darauf, was der Benutzer angibt" sagt Fleischhacker, "es gibt nämlich keine authentischere Information als das."
Zumal die Nützlichkeit von Lovo für den Kunden allein davon abhänge, wie genau das eingegebene Profil den eigenen Interessen entspreche. Und die seien nun einmal situationsabhängig, wandelbar.
Ein Sportler habe, wenn gerade eingegipst, eben plötzlich andere Freizeitinteressen, so Fleischhacker.
Sozialwissenschaften, Open Source
Nach der Gründung von Lovo.cc im Jahr 2003 wurden mehrere Forschungsaufträge zu Technologie und Sozialwissenschaften vergeben, Letztere vor allem zum Thema "Entscheidungsfindung im Freizeitbereich." 2005 habe man dann mit der Programmierung begonnen.
Entwickelt wird in J2EE, ansonsten kommen fast ausschließlich Open-Source-Programme zum Einsatz: jBoss als Application-Server, Postgresql als Datenbank, Hibernate als ORM-Tool, Spring als Framework, Lucene als Search-Engine, als Betriebssystem natürlich Linux.
Was angebunden ist
Externe Services, die angebunden sind: Google Maps für die Geocodierung, LBS-Plattform der T-Mobile zur Handyortung, nahezu alle Verkehrsverbünde [Fahrplanauskunft], SMS- und MMS-Gateways sowie Wetter.at.
Zu den Partnern von Lovo zählt etwa die "Presse", die demnächst mit diesen Daten online gehen wird, aber auch Google. Von dort kommen die Geodaten, die knapp 4.000 von der Lovo-Redaktion bereits erstellten Bewertungen wiederum werden an Google geliefert.
Investiert wurden bisher über vier Millionen Euro, sagt Fleischhacker, davon "viel eigenes Geld", dazu Fördermittel vom Wirtschaftsministerium, der Stadt Wien, etwas Risikokapital ist dabei.
In einem im Mai 2008 erschienen Buch mit dem Titel "eTourism Case Studies", Herausgegeben von Dimitrios Buhalis [Univ. Bournemouth] und Roman Egger [FH Salzburg], ist Lovo ein eigenes Kapitel gewidmet.
Die Serie
Im Rahmen der Serie "Start-up-Geschichten und Web-2.0-Angelegenheiten" berichten wir laufend über innovative Unternehmen aus Österreich.
(futurezone | Erich Moechel)