Österreich sucht IT-Fachkräfte
Auch wenn die Wirtschaftslage derzeit nicht die stabilste ist: Die Nachfrage nach IT-Fachkräften ist in Österreich derzeit ungebrochen. Erste Auswirkungen der Finanzkrise auf den Arbeitsmarkt sollen aber schon im vierten Quartal spürbar werden, so eine aktuelle Studie.
Zu diesem Ergebnis kommt der "it-indikator" des Personalberaters Robert Fitzthum für das zweite und dritte Quartal. Um 21 Prozent hat das Stellenangebot demnach allein vom zweiten auf das dritte Quartal zugelegt. Im Jahresvergleich sind es sogar 59 Prozent [Q3].
Zu wenige qualifizierte Arbeitskräfte
Fitzthum deutet die jüngste Entwicklung als "einen Aufholprozess in der Branche, der noch nicht abgeschlossen ist". Es gebe zu wenige qualifizierte IT-Leute in Österreich, sagte Fitzthum im Gespräch mit ORF.at. Hier müsse strategisch langfristig angesetzt werden - im Bereich der Ausbildung und auch bei der Frauenförderung. "Der Anteil der Frauen im IT-Bereich geht europaweit zurück."
Besonders gefragt sind dem "it-indikator" zufolge derzeit vor allem kreative Köpfe und Entwickler. "In der jetzigen Phase ist konzeptive Intelligenz gepaart mit Umsetzungsstärke gefragt, weniger der Typ des Systemerhalters", so Fitzthum. Um 180 Prozent sei etwa im Vergleich zum Vorjahr die Nachfrage nach IT-Leitern angestiegen. Auch Marketingfachleute würden stark nachgefragt [plus 48 Prozent zum Vorjahr]. Rückläufig entwickelten sich hingegen die Bereiche Verkaufsberater [minus 53 Prozent] und Vertrieb.
Software-Entwickler gefragt
Rosige Zeiten herrschen dafür bei Software-Entwicklern, für die sich das Jobangebot zum Vorjahr um 61 Prozent erweitert hat. Besonders gefragt seien dabei Internet-Programmierer [Java, Javascript], Support-Fachleute, Systembetreuer und SAP-Spezialisten. Das Angebot für Netzwerktechniker stagniert laut Fitzthum, rückläufig entwickelte sich im Jahresvergleich auch die Kategorie der Datenbankexperten [minus 62 Prozent].
Der von Fitzthum veröffentlichte "it-indikator" beobachtet im Quartalsabstand das Jobangebot für IT-Fachkräfte auf den führenden Print- und Online-Stellenmärkten: "Kurier", "Der Standard", "Presse", DerStandard.at, Jobpilot.at, Karriere.at.
Microsoft-Studie bestätigt Trend
Auch eine von Microsoft beauftragte Studie bestätigt den Trend. Insgesamt fehlen in Österreich rund 3.800 IT-Fachkräfte, heißt es in dem Papier. Demnach berichten 40 Prozent der heimischen IT-Firmen von einem deutlichen Bedarf, 55 Prozent erwarten sogar eine weiter steigende Nachfrage. Wobei 92 Prozent der Stellen deshalb offen sind, weil die Bewerber nicht die richtige Qualifikation haben.
Vom Fachkräftemangel leidet laut Microsoft auch die Wirtschaftsleistung Österreichs. Jede einzelne fehlende IT-Fachkraft bewirke rund 109.000 Euro weniger Wertschöpfung und eine Erhöhung des öffentlichen Defizits durch Steuerausfälle von etwa 47.000 Euro pro Jahr, so Microsoft am Donnerstag in einer Aussendung.
"Rückläufige Arbeitslosenzahlen"
Eine Auswertung des Arbeitsmarktservice [AMS], wo im September um 5,4 Prozent weniger arbeitslose EDV-Techniker gemeldet waren als im Vorjahr, schlägt in die selbe Kerbe. "Die Situation am IT-Arbeitsmarkt war in den vergangenen Monaten sehr gut und ist es derzeit immer noch, das zeigt sich an den im September rückläufigen Arbeitslosenzahlen", sagte AMS-Sprecherin Beate Sprenger auf Anfrage von ORF.at.
Auswirkungen der Finanzkrise
Wie lange die dynamische Marktentwicklung noch anhält, kommentierte Fitzthum vor dem Hintergrund der Finanz- und drohenden Wirtschaftskrise vorsichtig: "Ich erwarte, dass die Nachfrage nach Personal schon im vierten Quartal zurückgeht. Für 2009 werden die Personalbudgets mit großer Vorsicht oder in verschiedenen Szenarien erstellt."
AMS: Anstieg beim Frühwarnsystem
Auch beim AMS zeigte man sich auf Anfrage von ORF.at vorsichtig: "Die Auswirkungen der Finanzkrise auf den Arbeitsmarkt sind noch nicht zur Gänze abschätzbar. Beim AMS gab es zuletzt einen deutlichen Anstieg der im Frühwarnsystem zur Kündigung angemeldeten Beschäftigten [alle Branchen, Anm.]. Im September waren insgesamt 6.784 Personen im Frühwarnsystem angemeldet. Diese Anmeldung ist allerdings eine Vorsichtsmaßnahme und bedeutet noch nicht, dass die Personen auch gekündigt werden", so AMS-Sprecherin Sprenger. Nach Branchen betrachtet gab es die meisten Anmeldungen jedoch im Bauwesen.
"Rückgang der Arbeitslosigkeit vorbei"
Zusätzlich zur Finanzkrise gibt es laut AMS einen zyklisch bedingten Konjunktureinbruch, der in Kombination mit den Auswirkungen der Finanzkrise vor allem der exportorientierten Industrie Probleme bereitet. "Diese Auswirkungen bekommt auch der IT-Arbeitsmarkt zu spüren", erklärte Sprenger.
"Der Rückgang der Arbeitslosigkeit in Österreich ist zu Ende, für 2009 erwarten wir steigende Arbeitslosenzahlen", so Sprenger. Die aktuelle AMS-Prognose im Detail: Im Jahresdurchschnitt wird die Arbeitslosigkeit heuer voraussichtlich einen Wert von 209.900 Personen erreichen. 2009 wird die Zahl der Jobsuchenden um 15.000 bis 20.000 Personen ansteigen, das entspicht dann einem Jahresdurchschnittswert von 224.900 bis 229.900 Arbeitslosen im Jahr 2009.
Die US-Marktforschungsfirma Gartner hat ihre Prognose für die globale IT-Wirtschaft für 2009 deutlich zurückgeschraubt.
Auch Deutschland sucht Fachkräfte
Auch im Nachbarland Deutschland sind IT-Fachkräfte derzeit stark gefragt: Rund 45.000 Spezialisten werden gesucht - vor allem Software-Entwickler, Projektmanager und Berater, wie der Branchenverband BITKOM am Mittwoch bekanntgab.
Wie stark sich die Finanzkrise mittelfristig auf die Geschäfte auswirken werde, sei derzeit schwer abzusehen. "Eine abflauende Konjunktur kann den Expertenmangel nur vorübergehend abschwächen, da er strukturelle Ursachen hat", sagte BITKOM-Präsident August-Wilhelm Scheer.
Junge Menschen sollten sich bei ihrer Berufswahl daher nicht aus der Ruhe bringen lassen. Der Mangel an Spezialisten bleibe für die Branche ein gravierendes Problem. 46 Prozent der befragten Unternehmen gäben an, dass sie einen Fachkräftemangel spürten. Ein Drittel sage, dass offene Stellen nur schwer zu besetzen seien, und ein Viertel habe für freie Stelle gar keinen geeigneten Bewerber finden können.
Der Großteil der Berufseinsteiger in Deutschland hält eine Karriere in der Computerbranche einer Studie zufolge für wenig erstrebenswert.
(futurezone | Nayla Haddad)