Wieder Vorwürfe gegen Wiener Linien

datenschutz
28.10.2008

Die Wiener Linien sollen laut "Wiener Zeitung" Videoüberwachungsaufnahmen gegen einen Mitarbeiter verwendet und Kameras ohne Genehmigung betrieben haben.

Ein U-Bahn-Fahrer soll aufgrund von Beweismaterial auf einer Videoaufzeichnung entlassen worden sein, berichtete die "Wiener Zeitung" am Dienstag.

Der Vorfall ereignete sich im Juni 2006 in der U3-Station Erdberg. Der U-Bahn-Fahrer soll einen alkoholisierten Fahrgast bespuckt haben. Wie aus einem Gerichtsprotokoll hervorgeht, wurden bei einem Prozess vor dem Arbeits- und Sozialgericht Wien von den Wiener Linien Videoaufzeichnungen als Beweismittel für das Fehlverhalten des U-Bahn-Lenkers zitiert.

Keine Genehmigung

Die Aufnahmen waren zu diesem Zeitpunkt jedoch gar nicht erlaubt. Die Aufzeichnung von Überwachungsbildern in Stationen und auf Bahnsteigen wurde den Wiener Linien von der Datenschutzkommission [DSK] erst ab März 2007 genehmigt, neun Monate nach dem Vorfall.

Wiederholte Verweise auf Aufnahmen

In dem Gerichtsprotokoll, das auch ORF.at vorliegt, verweisen Mitarbeiter der Wiener Linien jedoch wiederholt auf die Videoaufzeichnung des Bahnsteigs in der U3-Station Erdberg.

So nahm etwa eine Personalreferentin der Wiener Linien, die auch Datenschutzbeauftragte des Unternehmens ist, bei ihrer Befragung durch das Gericht mehrfach auf die Aufnahmen Bezug.

Auch der Referatsleiter für den Fahrbetrieb U-Bahn-Abteilung gab vor Gericht an, eine Aufnahme des Vorfalls gesehen zu haben. "Wir hatten damals einen Probebetrieb von dieser Aufzeichnung. Die Genehmigung für Aufzeichnungen dieser Art ist erst vorige Woche eingetroffen", sagte er laut einem Tonbandprotokol des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 29. März 2007.

Aufzeichnungen gelöscht

Die befragten Zeugen hätten laut "Wiener Zeitung" die Aufnahmen gar nicht sehen dürfen, da nur extra dafür zuständige Personen Daten aus der Videoüberwachung auswerten dürfen. Die Aufzeichnungen selbst lagen bei der Verhandlung nicht vor. Sie wurden offenbar gelöscht.

Meldepflicht verletzt

Die Wiener Linien, die erst vor kurzem wegen Datenmissbrauchsvorwürfen bei der Videoüberwachung ins Gerede gekommen waren, setzen sich damit erneut Kritik wegen ihrer Handhabung von Videoüberwachungsmaßnahmen aus.

Weil die Aufnahmen vor der Registrierung der Überwachung bei der Datenschutzkommission gemacht wurden, hätten die Wiener Linien die Vorabkontrollpflicht, eine spezielle Meldepflicht, verletzt, sagte Waltraut Kotschy von der Datenschutzkommission zu ORF.at. Dafür seien Verwaltungsstrafen vorgesehen, so Kotschy. Das bedeute jedoch nicht, dass die Datenanwendung prinzipiell rechtswidrig gewesen sei.

Fraglich ist auch, ob die Verwendung der Videoaufzeichnung im konkreten Fall von der DSK gedeckt ist. Die Registrierung der Videoüberwachung der Wiener Linien beziehe sich auf den Zweck des Eigenschutzes und des Schutzes von Fahrgästen, sagte Kotschy. Die Heranziehung der Aufnahmen zum Zweck der Entlassung eines Mitarbeiters falle nicht darunter.

Wiener Linien kurz angebunden

"Wir verwenden nichts, was wir nicht verwenden dürfen", sagte eine Sprecherin der Wiener Linien kurz angebunden zu ORF.at. Für eine ausführliche Stellungnahme war bei den Wiener Linien trotz mehrmaliger Anrufe niemand erreichbar.

Zum Thema:

Eine Videoaufzeichnung führte am 26. Oktober auch zur Entlassung eines Straßenbahnlenkers, der die Abschiedsrunde der Straßenbahnlinie 1 für einen Sonderauftritt der eigenen Art nutzte. Er rief "Sieg Heil" und sprach von "meinem Führerstand". Die Videoaufnahme des Vorfalls wurde allerdings nicht von den Wiener Linien, sondern von einem Fahrgast gemacht.