Google-Dämmerung

04.11.2008

Innerhalb eines Jahres hat Google an der Börse deutlich mehr an Wert verloren als der NASDAQ-Durchschnitt. Vor allem aus Europa bläst dem US-Unternehmen mittlerweile ein scharfer Wind entgegen: Medienhäuser, Verleger und Datenschützer wehren sich.

Vor ziemlich genau einem Jahr, beim Durchbruch der 700er-Marke, war bereits vom "neuen Kursziel 800 Dollar" die Rede, während sich die mittlerweile immer noch tobende Immobilien- und Bankenkrise bereits deutlich abzuzeichnen begann.

Ein Jahr danach hält das Google-Papier bei 346 Dollar und ist mit minus 50 Prozent deutlich tiefer gefallen als andere NASDAQ-Werte, die seitdem im Schnitt 40 Prozent abgeben mussten.

Buchhändler, Verleger

Doch nicht nur an der Börse hat sich der Wind gedreht.

Gegen den nach drei Jahren Prozesslaufzeit abgeschlossenen Vergleich mit dem US-Autorenverband AAP und fünf US-Verlagen wurde sofort nach Bekanntwerden von anderen US-Institutionen in der vergangenen Woche Widerspruch erhoben.

"Enteignung der Urheber"

Google sei es damit gestattet, ohne Zustimmung der betroffenen Autoren und anderer Rechteinhaber in Bibliotheken gescannte Werke im Internet öffentlich zugänglich zu machen.

Das sei eine Enteignung der Urheber auf kaltem Weg, hieß es vom Verlegerverband Börsenverein des deutschen Buchhandels am vergangenen Donnerstag.

Spiegel.de stanzt Google

Zeitgleich veröffentlichte Deutschlands reichweitenstärkste Nachrichten-Website Spiegel.de einen sehr kritischen und ausführlichen Artikel über die Datensammelpraktiken Googles, der - wohl um der schnelleren Übermittlung willen - auch auf Englisch erschien.

Ganz nebenbei findet sich darin eine Erklärung der Online-Redaktion des "Spiegel", dass man auf die Benutzung des Service "Google Analytics" ab sofort verzichte.

Man wolle sicher sein, dass Daten über die Lesegewohnheiten der Benutzer im Haus verblieben. Wie die 80 Prozent der reichweitenstärksten Medien weltweit hatte auch Spiegel.de die kompletten Clickstreams seiner Leser jahrelang an Google abgeliefert, um im Gegenzug dafür [unvollständige] Gratisstatistiken zu erhalten.

In Österreich

Diese Zahlen, die auch für Österreich [eingeschränkt] gültig sind - ORF.at benutzt bekanntlich dieses Service nicht - stammen nicht von irgendwelchen Schätzungen, sondern beruhen auf einer empirischen Grundlage.

Der österreichische Suchmaschinen-Pionier Walter Karban, der 1997 mit einer Alta-Vista-Lizenz die Österreich-Suchmaschine "Austronaut" betrieb, hat mit seinem Projekt "ontraxx.net" die Einbindungen von externen Diensten wie Google Analytics bei Websites aller Art nachvollziehbar gemacht.

Die Abklemmung

Wie eine aktuelle Überprüfung von Spiegel.de zeigt, wurden sowohl die jahrelang bestehenden Anbindungen der Banner-Server von Google-Tochter "Doubleclick" sowie zu "Google-Syndication" entfernt.

Eine Anfrage von ORF.at an Google-Sprecher Kay Oberbeck, welche Sanktionen seitens von Google vorgesehen seien, wenn den Nutzungsbedingungen Googles nicht entsprochen werde, hatte im Juni kein Resultat ergeben.

Die schreiben vor, dass vom Website-Betreiber "alle zumutbaren Anstrengungen unternommen werden, die Aufmerksamkeit der Nutzer ihrer Website auf eine Erklärung zu lenken", dass die Verkehrsdaten aller Benutzer auf einen Server in den USA weitergegeben werden.

Die Realität

Nur auf einem kleine Teil der Websites, die das Service "Google Analytics" eingebaut haben, werden die Benutzer über die Datenweitergabe informiert.

Das verstößt gegen die Geschäftsbedingungen Googles, das österreichische Datenschutzgesetz, wie auch gegen die Datenschutzrichtlinie der EU, die eine Weitergabe von Telekom- und Internet-Verkehrsdaten an Staaten, die nicht den EU-Datenschutzstandards entsprechen, mit Auflagen versieht.

Weiterer Ärger

Die Datenschutzbeauftragten der EU-Staaten, die eine Untersuchung gegen Googles Datensammelpraktiken laufen haben, sind mit der Stellungnahme von Peter Fleischer, dem Datenschutzbeauftragten von Google, im September alles andere als zufrieden.

Des Weiteren hat Italiens König des Privat-TV, Silvio Berlusconi, Klage gegen YouTube wegen Urheberrechtsverletzung eingereicht, wie in den USA Sumner Redstone, Inhaber der MTV-Mutter Viacom mit Google vor Gericht streitet.

Laut dem gewöhnlich gut informierten "Wall Street Journal" hat das US-Justizministerium bereits im Sommer den Kartellspezialisten Sanford Litvack angeheuert, um eine Anti-Trust-Klage gegen Google vorzubereiten.

Der wohl mächtigste Google-Gegner aber hält sich die meiste Zeit dezent im Hintergrund: Microsoft.

Am Ende des Montags hatte der NASDAQ-Index ein kleines Plus aufzuweisen, Google schloss mit minus 3,5 Prozent.

(Futurezone | Erich Moechel)