"Little Big Planet": Prinzip Unendlichkeit
"Little Big Planet" hat alle Zutaten, um der lang erhoffte Erfolg für Sonys Spielekonsole PS3 zu werden: eine liebenswerte Spielfigur, originelle Grafik, Multiplayer-Funktion und zahlreiche Community-Features, die das Jump-'n'-Run-Spiel lange am Leben erhalten können. Der Online-Modus ist aber noch verbesserungswürdig.
Es musste offenbar einige Zeit ins Land ziehen, damit für Sonys PS3 ein Spiel auf den Markt kommt, das in seiner Einzigartigkeit ein echter Kaufgrund für diese Spielekonsole sein kann. "Little Big Planet" ["LBP"] ist so ein Spiel aus mehreren Gründen - obwohl nicht alles Gold ist, was darin glänzt.
"LBP" ist grundsätzlich ein klassisches Jump-'n'-run-Game und als solches, abgesehen von der knuffigen Grafik, wohl kaum den aktuellen Hype wert - wären da nicht der Kreator- und der Online-Modus, die dem Spiel eine unerwartete Intensität und Lebensdauer geben. Sie verschaffen "LBP" das Potenzial zur "Unsterblichkeit", sowohl aus spielerischer, als auch wirtschaftlicher Sicht - vor allem für Sony.
Man kann "LBP" vorwerfen, als Jump 'n' run mit zu wenigen Bewegungsmöglichkeiten ausgestattet zu sein oder dass der Online-Modus immer wieder mal hinkt, doch in Summe ist das Spiel ein erfrischender Input für die Gaming-Welt.
Nachdem der Release des Spiels wegen eines Liedes mit Koranzitaten verschoben werden musste, ist es nun seit Freitag im Handel.
Personalisierung in Hülle und Fülle
Protagonist bei "LBP" ist die Sackfigur, eine Art Teddybär im Leinengewand mit einem überproportionalem Zipp über Bauch und Brustkorb. Je nach Geschmack kann die Figur zu Sack-Boy und Sack-Girl umgewandelt und dabei von oben bis unten nach Lust und Laune gestaltet werden.
Gestaltung wird überhaupt großgeschrieben bei "LBP", ob bei der Figur selbst, im Story-Modus und bei der Erschaffung eigener Level. Ständig ist der Spieler angehalten, das Spiel mit vielfältigen Mitteln und nach seinen eigenen Wünschen zu dekorieren und zu gestalten.
Freiheit für Sticker
Bereits die Zentrale des Spiels kann mit Stickern und Objekten quasi zugepflastert werden, wobei es dem Spieler überlassen bleibt, ob er das auch wirklich will. Zwang zur Dekoration und Gestaltung und damit Personalisierung gibt es angenehmerweise keinen, außer in manchen Levels, wo sich Zugangstore erst durch das Anbringen von Stickern öffnen.
Aktive vs. passive Beteiligung
Das Prinzip "muss nicht, kann aber" gilt auch für das Erstellen eigener Level: Wer kreativ sein will, kann sich eigene Level zusammenstellen und dabei auf ein wirklich beeindruckendes Repertoire von Bausteinen und Möglichkeiten, inklusive realistischer Physik, zurückgreifen. Fast alles kann verändert werden, bis hin zur Erstellung eigener Objekte, die mit Hilfe einer Kamera personalisiert werden können, sowie der Beleuchtung und der Hintergrundgeräusche.
Wer das nicht will, kann sich auch zurücklehnen, andere für sich arbeiten lassen und dann deren erstellte Levels online spielen - alleine oder im Kooperationsmodus, ein weiterer wichtiger Bestandteil des Spiels. Üblicherweise sind Jump-'n'-run-Spiele für Einzelgänger, doch bei "LBP" kann man Levels auch gemeinsam spielen, einige muss man sogar, um bis ans Ende zu gelangen.
Frischer Input von den Spielern
Die Möglichkeit, eigene Levels und Objekte zu erstellen und dann mit anderen zu teilen, bietet nicht nur für die Spieler neue Möglichkeiten, auch Sony profitiert davon. Wer die 50 Levels des "LBP"-Storymodus einmal durchgespielt hat, muss nicht ein, zwei oder mehr Jahre auf einen zweiten Teil warten, er kann sich direkt und selbst bei der Community bedienen und spielen, was ihm gefällt.
Damit ist Sony, beziehungsweise das Entwicklerstudio Media Molecule, der Pflicht enthoben, das Spiel mit frischem Content am Leben zu erhalten, wie es etwa Electronic Arts mit seinen Zusatzpaketen für "Die Sims" immer wieder macht.
Outsourcing der Kreativität
Der kreative Input wird auf die Spieler selbst ausgelagert, und die machen davon auch Gebrauch, wenn man sich die bereits jetzt zahlreichen neuen Levels in "LBP" ansieht. Diese müssen nach dem Spielen zudem bewertet werden, um so anderen Interessierten einen Anhaltspunkt zu geben.
Zwar wird es auch von Media Molecule frischen Content geben, wie etwa das limitierte Startkostüm für nicht gerade wohlfeile 4,99 Euro, doch der Großteil der neuen Inhalte wird wohl aus dem Spiel und von den Spielern selbst entstehen und das Spiel somit von innen heraus frisch halten.
Dass das Spiel kein Ende hat, zeigt sich schon alleine daran, dass bei Beginn der sonst für das Ende vorbehaltene Abspann mit den Namen, und bei "LBP" auch mit den Gesichtern der Entwickler, gezeigt wird.
Geänderte Bedingungen für Inhalte
Laut Sony sollen die Inhalte der Nutzer vorerst kostenlos bleiben, wobei bereits angedacht ist, dass die Ersteller neuer Objekte und Levels diese auch selbst verkaufen können.
Vor kurzem hat Sonys allerdings die Nutzungsbedingungen für das PlayStationNetwork [PSN], denen vor Beginn des Spiels zugestimmt werden muss, geändert.
Sony räumt sich damit unter anderem das Recht ein, das "Benutzermaterial über PSN und andere dazugehörige Dienstleistungen zu nutzen, weiterzugeben, zu kopieren, zu verändern, darzustellen und zu veröffentlichen".
Weiters autorisiert der Nutzer mit seiner Zustimmung Sony und angegliederte Unernehmen dazu, "Benutzermaterial zu lizenzieren, zu verkaufen und auf sonstige Art und Weise kommerziell zu verwenden" - und zwar ohne finanzielle Entschädigung für den Ersteller.
Welche genauen Auswirkungen das auf das Spiel und seine Inhalte hat, ist derzeit noch ungeklärt. Eine entsprechende Anfrage dazu läuft.
Online-Modus mit Tücken
Neben dieser Ungereimtheit finden sich durchaus noch weitere Ansatzpunkte für mögliche Kritik: So ist der Online-Modus des Spiels über weite Strecken zwar gut spielbar, hin und wieder machen sich aber deutliche Verzögerungen beim Laden von den Sony-Servern bemerkbar.
Im Test führte das einmal so weit, dass die Konsole schlicht hängen blieb und nur mit einem Neustart wieder funktionstüchtig wurde. Ob die Sony-Server auch einem größeren Ansturm und einer wachsenden Zahl an Nutzerinhalten standhalten können, wird sich zeigen.
"Echtes" Jump 'n' Run in 2,5-D
Auch dem eigentlichen Spielprinzip eines Jump-'n'-Run-Games wird "LBP" theoretisch nicht ausreichend gerecht: Die Sackfigur ist mit Laufen, Springen und Festhalten mit vergleichsweise wenigen Bewegungsmöglichkeiten ausgerüstet. Sie sind für die mitunter recht kniffligen Rätsel aber ausreichend.
Weiters ist "LBP" kein 3-D-, sondern vielmehr ein 2,5-D-Game, bei dem sich die Sackfigur nach links und rechts und zwei Stufen nach hinten und vorne bewegen kann. Die halbe Dimension fiel wohl der besseren Erstellbarkeit neuer Levels zum Opfer. Die zweieihalb Dimensionen sind zu Beginn gewöhnungsbedürftig, aber durchaus zu meistern, ebenso wie die im ersten Moment etwas ungenaue Steuerung. Beide tragen zum Charme des Spiels bei.
Auf dem Weg zum "Gaming 3.0"
Trotzdem: Mit "Little Big Planet" ist Sony dem selbst gesteckten Ziel des Gaming 3.0, als Pendant zum Web 2.0, ein großes Stück nähergekommen. Das Spiel lotet die Möglichkeiten dieser Strategie, zur der auch die 3-D-Welt "Home" als Plattform für Social Networking gehört, bereits gut aus und könnte Sony die notwendige Atempause verschaffen, bis Home auch endlich wirklich online geht.
(futurezone | Nadja Igler)