G8-Gipfel startet globale Internetoffensive
Die führenden Industriestaaten wollen auch die Entwicklungsländer vom milliardenschweren Internet-Geschäft profitieren lassen und in die Informationsgesellschaft einbinden.
Der G-8-Gipfel startete am Samstag auf der südjapanischen Insel Okinawa eine weltweite Offensive und verabschiedete die "Okinawa-Charta für eine globale Informationsgesellschaft".
Diese Technologien werden nach Einschätzung der G-8-Staaten USA, Kanada, Japan, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien und Russland immer mehr zum Wohlstand der Weltbevölkerung beitragen.
G7/G8-InformationszentrumKein Bürger dürfe von diesem technischen Fortschritt
ausgeschlossen werden, betonten die Teilnehmer. Diese
Technologien werden nach Einschätzung der G-8-Staaten mehr und mehr
zum Wohlstand der Weltbevölkerung beitragen. Ziel sei es, der
"digitalen Kluft" zwischen den Ländern und innerhalb der
Gesellschaften entgegenzutreten.
Kofi Annan: Viele Worte, wenig Taten
Zu viele Worte, zu wenige Taten - aus der Ferne stellte UNO-Generalsekretär Kofi Annan den auf der südjapanischen Insel Okinawa versammelten Staats- und Regierungschefs der mächtigsten Industrieländer ein miserables Zeugnis aus. Der Schuldenerlass für die ärmsten Länder komme nicht voran, sagte Annan.
Demonstranten zündeten aus Protest gegen die Charta am Strand von Okinawa einen Laptop an. Eine britische Sprecherin des weitweiten Bundes von Hilfsorganisationen "Jubilee 2000" sagte, hungrige Arme könnten keine Computer essen. Es müsse zuerst von den lebensnotwendigen Dingen wie Nahrung, Häusern und Strom gesprochen werden.
Die G-8-Staaten würden dem profitabelsten Bereich ihrer Wirtschaft helfen statt den ärmsten Menschen der Welt. Ein Sprecher der Anti-Armuts-Gruppe OXFAM sagte, den weltweit 880 Millionen Analphabeten nütze die Charta wenig.
Primäres Problem ist oft der Hunger
Computer und Telefonnetze also als Entwicklungshilfe der Zukunft statt Nahrungs- und Lehrmittel sowie Medikamente?
Der Leiter für den Bereich Infrastruktur und Industrie bei der Afrikanischen Entwicklungsbank, Cordje Bedoumra, lehnt diesen Gedanken strikt ab:
"Digitale Kluft" zwischen Arm und Reich15 Milliarden Dollar für Entwicklungsländer
Bis zum nächsten Gipfel in Genua im Juni 2001 soll eine G-8-Sondertruppe hochrangiger Experten mit dem inter-netten Namen "dot force" außerdem Methoden erdenken, um die vielfach beklagten digitalen Gräben zwischen Arm und Reich sowie Alt und Jung zuzuschütten. Nicht zuletzt sei das notwendige Personal für die Informationsgesellschaft bereit zu stellen.
Japan kündigte an, in den nächsten fünf Jahren für 15 Milliarden Dollar [rund 30 Milliarden Mark] IT-Experten in Entwicklungsländern auszubilden.
Derzeit liegen weltweit 90 Prozent aller Internet-Anschlüsse in Industrieländern, die jedoch nur 16 Prozent der Weltbevölkerung stellen. Allein in New York gibt es mehr Internet-Anschlüsse als in ganz Afrika.
Jeder solle überall fähig sein,
am Nutzen der globalen Informationsgesellschaft teilzuhaben und
niemand solle davon ausgeschlossen sein, hieß es in der Charta.
Dabei sei es Aufgabe der vielen internationalen Organisationen, wie
etwa der Vereinten Nationen oder der Internationalen
Finanzinstitutionen, hierbei mit Projekten zu helfen.
Japans Initiative gegen die "Digitalen Kluft"
Gipfeldiplomatie künftig per E-Mail
Bei seinem ersten G-8-Gipfel will Neuling Wladimir Putin die eingespielten Spielregeln der jährlichen Spitzentreffen erweitern: Der russische Präsident schlug vor, dass sich die Staats- und Regierungschefs künftig auch per E-Mail direkt austauschen.
Ob Putins Vorschlag umgesetzt wird und die G-8-Chefs sich tatsächlich künftig direkt per E-Mail unterhalten, bleibt noch abzuwarten. Probleme dürfte das Vorhaben zumindest dem Gipfel-Gastgeber bereiten: Japans Ministerpräsident Yoshiro Mori fiel bereits mehrfach als völliger Computer-Laie auf.
Kurz vor dem Okinawa-Gipfel versuchte der 63-Jährige noch in letzter Minute, sich etwas Wissen über das Internet als wichtigem Gipfelthema anzueignen.