Microsoft wehrt sich gegen EU-Verfahren
Ein Sprecher Microsofts hat die Vorwürfe der EU-Kommission am Donnerstag zurückgewiesen.
Die vom Konkurrenten Sun Microsystems benötigten technischen Informationen seien "in jedem Buchladen, auf jeder Microsoft-Website oder auf jeder Entwicklerkonferenz" zugänglich, erklärte der Chefjurist von Microsoft Europa, Nahost und Afrika, John Frank, am Donnerstag in Paris.
Sun wolle aber offenbar Zugang zu technischen Geheimnissen von Microsoft haben. "Wir glauben nicht, dass das Gesetz Microsoft oder irgendeine andere Firma verpflichtet, ihre Geheimnisse mit direkten Konkurrenten zu teilen."
Sowohl die Produkte als auch die Geschäftspraktiken des US-Konzerns entsprächen den Regeln der EU, betonte Frank.
Beschwerde Suns war der Anlaß
Die EU-Kommission hatte am Donnerstag in Brüssel ein förmliches Wettbewerbsverfahren gegen Microsoft eröffnet. MS wird verdächtigt, seine marktbeherrschende Stellung bei der Software für PC-Betriebssysteme missbraucht zu haben, sagte eine Sprecherin von EU- Wettbewerbskommissar Mario Monti.
Die Kommission folgt damit einer Beschwerde Sun Microsystems vom Dezember 1998. Sun hatte moniert, dass Microsoft europäische Wettbewerbsregeln nicht beachte.
Abwehr von Schadensersatz-Ansprüchen
Wenn Brüssel nicht über "gute Beweise" für ein Fehlverhalten Microsofts verfügte, hätte man das Verfahren nicht eingeleitet, sagte eine Sprecherin von EU-Wettbewerbskommisar Mario Monti am Donnerstag.
Es sei jedoch zu früh, bereits jetzt über die Höhe möglicher Bußgelder zu spekulieren. Der Kommission liegen eigenen Angaben zufolge Hinweise vor, dass Microsoft der Verpflichtung zur Offenlegung ausreichender Informationen über die Schnittstellen seines Betriebssysteme nicht nachgekommen ist.
Während es im US-Kartellprozess gegen Microsoft derzeit eine Verschnaufpause gibt, in der entschieden wird, welche Instanz den Prozess übernimmt, wehrt sich MS gegen die insgesamt 130 noch anhängigen Zivilklagen, deren Ziel Schadensersatzzahlungen sind.
Die Zivilklagen stützen sich auf Bezirksrichter Thomas Penfield Jacksons Feststellung, dass Microsoft gegen das US-Kartellrecht verstoßen hat.
Demnach wurden Programme durch den Missbrauch der MS-Marktmacht überteuert verkauft.
In der ersten Instanz des Kartellprozesses des US-Justizministeriums und 17 Bundesstaaten gegen Microsoft hat Bundesrichter Thomas Jackson entschieden, dass der Konzern in ein auf Betriebssysteme [Windows] spezialisiertes Unternehmen und eines für Anwendungsprogramme [Office & Co]
aufgeteilt werden soll.Vorbild Baustoffhandel
Ermutigt durch eine Reihe erfolgreicher Einstellungen von Zivilklagen, hat Microsoft jetzt zu einem größeren Schlag ausgeholt und Einstellung von insgesamt 62 Klagen gefordert.
Dabei beruft sich MS auf einen Präzedenzfall namens "Illinois Brick", der schon zu einzelnen Einstellungen von Schadensersatzklagen in Hawaii, Iowa, Kentucky, Nevada und Oregon geführt hat.
Nach "Illinois Brick" dürfen Hersteller nicht mit Schadenserstzforderungen wegen überhöhter Preise belangt werden, wenn Produkte nicht direkt vom Hersteller sondern von Zwischenhändlern erworben wurden. Dies ist beim Großteil der verkauften MS-Programme der Fall.
Im Kartellverfahren gegen Microsoft finden die nächsten Anhörungen vor dem Obersten Gericht am 26. Juli und am 15. August statt.
FahrplanGierige Anwälte
In insgesamt fünfundzwanzig anderen Zivilklagen auf Schadensersatz greift "Illinois Brick" als Präzedenzfall allerdings nicht, da diese nicht in einzelnen Bundesstaaten sondern auf Bundesebene eingereicht wurden. Dort kann mit dem "Ziegel-Urteil" aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht argumentiert werden.
MS-Sprecher Jim Cullinan gab sich aber auch im Bezug auf diese Prozesse optimistisch: "Es handelt sich ja nicht um einen Haufen verärgerter Konsumenten, sondern nur um ein paar gierige Anwälte."
Für die Konsumenten sei die MS-Preispolitik zu keinem Zeitpunkt schädlich gewesen.