"Markenschutz im Web gehört beschränkt"
Der neue Europa-Direktor des internationalen Internet-Kontrollorgans ICANN, Andy Müller-Maguhn, will mit der Einführung neuer Endungen bei Internet-Adressen den Markenschutz im Netz beschränken und durch andere Verfahren ergänzen.
Sein Ziel sei es, mit der Einführung neuer Top Level Domains [TLDs] - zu denen bisher .at oder .com gehören - auch neue Ordnungsregeln zuzulassen, sagte Müller-Maguhn.
"Damit wären in der Tat auch die Markenrechtskonflikte lösbar, wenn es eben bestimmte Namensräume gibt, in denen Markenrecht schlicht nicht gilt, und es alternative Verfahrensweisen gibt."
Balance zwischen Kommerz und Nicht-Kommerz
Die von ICANN für Mitte November geplante Vergabe neuer TLDs könnte damit zur Grundsatzdiskussion über Regeln im World Wide Web werden.
Müller-Maguhn, der vor seiner Wahl in den Vorstand der Internet Corportaion for Assigned Names and Numbers [ICANN] als Mitglied des "Chaos Computer Clubs" bekannt wurde, will sich dafür einsetzen, dass es "auch bei einer nur kleinen Erweiterung des Namensraums ein ausgewogenes Verhältnis zwischen kommerziellen und nicht kommerziellen Erweiterungen gibt".
Massive Zunahme von Domainstreitigkeiten"Juristerei begeht Diebstahl am öffentlichen Raum"
Zu den kommerziellen Adressendungen könnte etwa .shop zählen, zu den nicht kommerziellen zum Beispiel .africa. Wichtig sei dabei, dass E-Business und freie Netzkulturangebote innerhalb ihrer TLDs nach eigenen Regeln verfahren könnten.
Schon in der kurz nach seiner Wahl im vergangenen Monat veröffentlichten "Regierungserklärung" hatte Müller-Maguhn mit seinem klaren Eintreten für ein möglichst wenig reglementiertes Internet für Aufsehen gesorgt.
Die Anwendung juristischer Regeln auf das Internet sei ein Verbrechen, schrieb er. "Was die Juristen 'geistiges Eigentum' nennen, ist - das weiß jeder Lateiner - nichts weiter als ein Diebstahl am öffentlichen Raum."
Mit der Erklärung habe er sich vor
"einer gewissen Eingemeindungs- und Umarmungsstrategie
etablierter Strukturen" wehren wollen, sagte er. Die Gratulation der
CDU zu seiner Wahl etwa habe er als "rufschädigend" empfunden. Durch
seine unverblümten Worte habe er nun "zumindest bestimmte
Missverständnisse aus dem Weg räumen können".
Müller-Maguhns vehemente Ablehnung
des allgemeinen Markenrechts im Netz könnte dem Namensschutz jedoch gerade helfen. Denn durch die Akzeptanz unterschiedlicher Gesetzesräume könnten Konflikte über die Namensvergabe vermieden werden.
So könnte in einer TLD wie etwa .shop bei der Zuteilung von Adressen mit dieser Endung streng nach Markenrecht verfahren werden. Dagegen könnten innerhalb anderer TLDs Bewerber zum Zuge kommen, die unter einem Markennamen etwa Kritik an dem entsprechenden Konzern öffentlich machen wollen.
Langwierige Rechtsstreitigkeiten, die von der "World Intellectual Property Organization" in Genf als potenzielle Schiedsgerichtsstelle entschieden werden müssen, würden so überflüssig.
"Mehr Top Level Domains sind eine große Chance"
"Mehr TLDs sind insofern - bei Beachtung gewisser Spielregeln - eine große Chance, nicht nur kulturelle Vielfalt abzubilden, sondern auch die bestehenden Konflikte durch die künstliche Einengung des Namensraumes zu entschärfen", betonte Müller-Maguhn.
Bei ICANN gingen nach eigenen Angaben mehr als 200 Anträge von insgesamt 47 Bewerbern für neue TLDs ein. Darunter finden sich .bank, .kids, .sex und .shop. Bewerber sind vor allem Firmen, die sich ein Geschäft bei der Vergabe und der Verwaltung von Adressen innerhalb einer neuen Domain versprechen.
EU-Domain erst Mitte 2001