Industrie blockiert Cybercrime-Abkommen
Wie sich immer deutlicher herauskristalliert, kommt das geplante Abkommen des Europarats zur Bekämpfung von "Cybercrime" immer mehr unter Druck.
Wie berichtet, müssen nach wechselseitigen Verdächtigungen und Misstrauen unter den großen Staaten wegen elektronischer Wirtschaftsspionage ganze Abschnitte des Vertrags entschärft werden.
Das betrifft die komplette Sektion zwei des Vertragswerks, die den grenzüberschreitenden Datenaustausch zwischen den gesetzlich ermächtigten Behörden regeln soll.
Heuer nicht verabschiedet
Der deutsche Bundestagsabgeordnete und Experte für Neue Medien,
Jörg Tauss [SPD], wiederum sagte auf Anfrage des Heise-Magazins
"Telepolis", das Abkommen werde nicht zum geplanten Termin im
Dezember verabschiedet werden können.
Fassung Nummer 24
Zu diesem Zeitpunkt werde vielmehr die 24. Fassung des Dokuments vorgestellt, um dann öffentlich diskutiert zu werden. Mit einer Verabschiedung rechnet Tauss nicht vor dem Frühjahr.
Grund für den Aufschub sind starker Widerstand der IT- und Telekomindustrie. Die jüngsten Forderungen nach Neudiskussion und Aufschub des Abkommens seitens eines der Vizepräsidenten von IBM [siehe unten] wurden offenbar berücksichtigt.
Protokoll einer Sitzung
Wie das interne Protokoll eines Treffens hoher US-Beamter
vornehmlich aus dem Weißen Haus, Handels- und Justizministerium mit
Vertretern der amerikanischen IT- und Telekom-Industrien Ende
Oktober zeigt, bestehen schwere Bedenken gegen eine ganze Reihe von
weiteren Artikeln des geplanten Cybercrime-Abkommens.
Bürokraten hören zu
Der Chef der Abteilung Computerkriminalität im US-Justizministerium, Marty Stansell-Gamm, und andere Officials mussten sich ein glattes Nein der Telekoms und Provider besonders gegen Artikel elf und zwölf anhören.
Neben diesen Artikeln, die IT-Unternehmen zu umfassender Sammel- und Speicherungspflicht von Daten vergattern sollten, gerieten noch weitere Teile des Abkommens unter Beschuss.
Nicht einmal die Vertreter der gleichfalls beim Treffen präsenten Film- und Musikindustrie, die besonders an jenen Teilen des Vertragswerks mitgearbeitet hatten, die schärferes Vorgehen gegen Verstöße gegen Copyrights zum Inhalt haben, setzten sich für das Abkommen ein.
Legale und illegale Tools
Am Montag hatte John Patrick, Vizepräsident Internet-Technologie
bei IBM, davor gewarnt, so genannte Hacker-Tools durch einen
internationalen Vertrag vorschnell zu illegalisieren. Da es
weitgehend dieselben Programme sind, mit denen auch die Behörden
operieren, würde das Abkommen in seiner derzeitigen Form die
Strafverfolger sogar behindern.