Industrie-Spionage, Politik und "Cyber-Crime"
Begonnen hatte alles im Jahr 1997, als die Mächtigen dieser Welt, die so genannten G-7 Staaten, überein kamen, den Kampf gegen das Böse, namentlich die organisierte Kriminalität zu intensivieren.
Geldwäscher, Kinderpornographen und Cyber-Terroristen würden sich des explosionsartig wachsenden Mediums Internet und anderer digitaler Netze ungeniert bedienen, hieß es, folglich sei dieses verstärkt zu kontrollieren.
Am besten geeignet dafür wäre ein internationales Vertragswerk, das unter anderem Internet Provider und Telekoms weltweit zur Speicherung, Aufbewahrung von aller Arten von Verbindungsdaten verpflichte. Bei Bedarf seien diese den gesetzlich ermächtigten Behörden grenzüberschreitend zur Verfügung zu stellen.
In einem Aufwaschen sollten auch die 41 Staaten des Europarats - inkludierend die gesamte EU -das Abkommen unterzeichnen.
1998 in Birmingham
Als hohe Polizeibeamte im Mai 1998 beim Treffen der G-8 Minister
[Russland war mit dabei] in Birmingham Videoclips vorführten, wie
man die neuen Technologien zum Fangen von Kapitalverbrechern nützen
könnte, war man entzückt. Der britische Innenminister Jack Straw
formulierte die Absichten der gesetzlich ermächtigten Behörden in
Birmingham auch mehr als deutlich. Anstatt wie bisher einen Schritt
hinter dem Verbrechen, sprach Straw, gelte es nun,
Erweiterte Gefahrenerforschung
Das heisst nichts anderes, als dass die bisherige Rechtslage - ein Verbrechen geschieht und die Polizei ermittelt dann - in allen demokratischen Staaten in Frage gestellt würde.
Die Überwachung sollte künftig schon vor dem Verbrechen beginnen - "erweiterte Gefahrenerforschung" wie sich auch in nationale Gesetzesvorhaben Einzug fand.
Die dazu benötigten Datenmengen, Speicherplätze und Infrastrukturen aber sollten Sache der Telekoms, GSM-Betreiber und Internet-Provider sein.
Dies schrieb die zuständige Arbeitsgruppe sofort in den rasch wachsenden Vertragsentwurf hinein, Musik- und Filmlobbies mahnten erweiterte Möglichkeiten zur elektronischen Überwachung bei Copyright-Verletzungen ein. Die USA aber nahmen, selbstbewusst wie immer, gerne die Führungsrolle bei diesem weltweiten Vertragswerk ein. Nun, da das Abkommen ganz offenbar von allen Seiten unter Beschuss geraten ist, will man davon freilich nicht mehr viel wissen und lässt verlauten,
das Ganze sei doch eher eine europäische Angelegenheit.Zahlmeister IT-Branche
Auch dafür wurde die hauptsächliche Verantwortung der IT-Branche zugeschoben - die von allen Beteiligten offenbar am intensivsten mit Arbeit ausgelastet war.
Erst Ende Oktober 2000, einen Monat vor der geplanten Verabschiedung des Abkommens brachten Vertreter der Zahlmeister in spe - von AT&T über IBM, Oracle und Microsoft waren u. a. zugegen - bei einem Treffen mit hohen US-Regierungsbeamten schwere Bedenken gegen das Vertragswerk vor.
Dass es zum Beschluß einer grundsätzlichen Überarbeitung des Vertragswerks kam, mit der man bis zur geplanten Deadline im Dezember keineswegs fertig werden wird, ist allerdings nicht auf diesen Vorstoß der
IT-Industrie allein zurück zu führen.Die Mächtigen verdächtigen
Unter den G-7 selbst ist seit dem Sommer bezüglich der geplanten Massenspeicherung von Telekommunikationsdaten Misstrauen ausgebrochen.
Die Mächtigen der Welt verdächtigen einander, nicht immun gegen die Verlockung der Industriespionage in den genannten Datenmengen zu sein.
ECHELON blockiert Cybercrime-Abkommen