E-Weihnachten: Geld oder Leben
Der Online-Einkauf von Weihnachtsgeschenken wird derzeit von allen Medien als stressfreie Alternative gepriesen, womit sich der Hype aus den USA vom letzten Jahr wiederholt: Damals wurde das Weihnachtsgeschäft vorsorglich schon als Durchbruch für den E-Commerce gefeiert.
Aber während kühne dpa-Autoren den "W-Commerce" erfinden, dürfte für viele Onlinehändler das Weihnachtsgeschäft 2000 die letzte Überlebenschance sein.
Bisher war das vierte Quartal jedenfalls die wichtigste Wachstums- und Umsatzzeit des E-Commerce: Die in dieser Zeit neu gewonnen Kunden konnten bisher zu einem guten Teil dauerhaft als Online-Shopper gewonnen werden.
In diesem Jahr sitzt den E-Commerce-Unternehmen allerdings ganz anders als im letzten Jahr die schlechte Stimmung an den Börsen im Nacken, sodass Rekordumsätze zur Existenzfrage werden: Ein B2N [Business to Nobody] oder Lieferverzögerungen kann sich dieses Jahr kein Händler mehr leisten.
Aber nicht nur für die Online-Händler, sondern auch für viele Hersteller entscheidet sich die Jahresbilanz erst im Dezember: So ließ beispielsweise Game-Produzent JoWood verlauten, dass generell der Großteil der Umsätze im vierten Quartal erzielt werden.
1999: Amazon erzielt Rekordergebnis im 4. QuartalOptimistische Prognose
Der europäische Einzelhandel kann im Weihnachtsgeschäft 2000 nach einer Studie von Forrester Research mit einem Online-Umsatz von 2,6 Milliarden Euro rechnen.
Das würde ungefähr dem gesamten europäischen Online-Einzelhandelsumsatz des Jahres 1999 entsprechen.
Spitzenreiter beim elektronischen Christmas-Shopping ist laut Forrester der deutsche Einzelhandel mit einem voraussichtlichen Umsatz von 715 Millionen Euro.
Für die Experten gibt es im Internet mittlerweile auch eine große Anzahl seriöser Anbieter. "Europäische Verbraucher können inzwischen auf ein breites Angebot von vertrauenswürdigen Online-Einzelhändlern zurückgreifen", betont Forrester-Analystin Abigail Leland.
20 Millionen Europäer kaufen heuer onlineLehre 1999
Die europäischen Online-Händler haben immerhin die Gelegenheit, durch die zeitverzögerte Entwicklung aus den US-Fehlern des letzten Jahres zu lernen.
Damals wurden viele Händler vom Kundenansturm überrascht, in der Folge brachen viele [schlecht konzipierte] Logistiksysteme zusammen: Die Weihnachtslieferungen im Jänner gehörten wohl zur schlechtesten Reklame, die die gesamte Branche je hatte.
Momentan geben sich die europäischen Händler jedenfalls noch optimistisch, auch was ihre Umsätze betrifft: "Wir haben täglich steigende Orderzahlen", berichtet der PR-Direktor von Amazon.de, Andre Schirmer.
Derzeit würden 40.000 bis 50.000 Sendungen pro Tag verschickt, bis Weihnachten sollen es etwa doppelt so viele sein. Zum Vergleich: Der normale Tagesdurchschnitt liegt bei 20.000 bis 30.000.
Auch der Web-Shop bol.de registriert einen deutlichen Anstieg der Bestellungen. "Das Geschäft ist sehr, sehr lebhaft", meint Pressereferent Jens Heinen, ohne Zahlen zu nennen.
Online-Stores wurden überrannt