Rasterfahndung durch Telefonüberwachung
Auch wenn die Überwachung des Internet-Verkehrs momentan im Zentrum des Begehrens der verschiedensten Behörden steht - in den Telefonienetzen liegt ihre eigentliche Domäne.
Hier vollzieht sich abseits aller Öffentlichkeit ein technologischer Quantensprung, dessen Folgen nur schwer abzuschätzen sind.
Wie die internen Arbeitspapiere der Abhörtruppe des "European Telecom Standards Institute" [ETSI SEC LI] zeigen, spielen die Telefonate selbst dabei nur noch eine Nebenrolle.
Im Zentrum der behördlichen Begehrlichkeiten stehen die Verbindungs- und Ereignisdaten, nämlich wer mit wem wo wie lange telefoniert.
Angebohrte Netze
Dazu kommt, dass die Produzenten der Telefoniesysteme diese nicht
nur bereits mit allen notwendigen "Bohrungen" zum großflächigen
Abzapfen und Übermitteln dieser Daten ausstatten. Ericsson, Siemens,
Alcatel, Nokia und andere bieten als zusätzliche "Features" längst
fertige Systeme zur automatisierten Überwachung großer Wählämter an.
Monitoring-Centers
Warum zum Beispiel Ericssons LIS [Lawful Interception System] oder EWSD LI von Siemens in den offiziellen Katalogen fehlen, hat seine guten Gründe.
Diese Systeme, die technisch auf den eigenen Switches aufsetzen, sind nicht nur extrem leistungsfähig.
Sie werden auf Bestellung gleich mit "Monitoring-Centers" ausgeliefert: "Komfortable Tools" auf Windows-Basis erleichtern die Analyse der Datensätze.
Originaltext EWSD-LI-Prospekt
"Ereignisdatensätze liefern aufschlussreiche Informationen über
das Kommunikationsverhalten des überwachten Netzteilnehmers.
Zusammengenommen ergeben all diese Informationen eine Art
'Verhaltensmuster', das allein oft schon die gewünschten Hinweise
liefert, sodass sich das Einholen der Nutzdaten erübrigt."
Quantensprung bei Rasterfahndung
Wenn dazu in Betracht gezogen wird, dass die Systeme bis zu 10.000 Anschlüsse pro Wählamt [sic!] gleichzeitig überwachen und an bis zu fünf verschiedene Behörden gleichzeitig übermitteln können, wird offensichtlich, dass in der umstrittenen Polizeimethode der "Rasterfahndung" ein technologischer Quantensprung unmittelbar möglich ist.
Ortung und Datamining
Die Produkte hoch spezialisierter Firmen wie Accuris [Datamining]
oder Aqsacom [geografische Ortung in Handy-Netzen], die mit den
großen Telekom-Ausrüstern in der ETSI-Arbeitsgruppe "Lawful
Interception" vertreten sind, komplettieren ein Set-up, das nur als
Furcht erregend zu bezeichnen ist.
Kommunikations- und Bewegungsprofile
Mehr oder weniger gleichzeitig können die Verbindungsdaten von Tausenden Anschlüssen nicht nur abgezapft, sondern auch analysiert werden.
Die daraus resultierenden "Verhaltensmuster", nämlich individuelle Kommunikations- und Bewegungsprofile, aber reichen weit in die Vergangenheit zurück.
Mehrere Monate in der Regel - eben so lange, wie der Netzbetreiber die Verbindungsdaten aufbewahrt.