EU-Datenschutz wird ausgehebelt
Während der Europarat die Endfassung des umstrittenen Abkommens zur Bekämpfung von "Cybercrime" gerade publiziert hat, lässt ein weiterer Vorstoß der EU-Polizei IT-Industrie und Datenschützer aufhorchen.
England, Frankreich und Belgien sind vorgeprescht, die EU-Direktive zum Datenschutz in einem entscheidenden Punkt zu unterminieren, warnt Tony Bunyan von der britischen Bürgerrechtsgruppe Statewatch.org.
Das zum Schutz der Privatsphäre erlassene Verbot für Telefonie- und Internet-Provider, Verbindungsdaten oder Logfiles [wer mit wem wann wo kommuniziert] länger als für Verrechnungszwecke benötigt zu speichern, soll aufgehoben werden.
Europarat veröffentlicht "Cybercrime"-AbkommenForderungen durchgesetzt
Die Polizeibehörden der genannten Staaten haben ihre Forderungen gegenüber ihren [durchwegs sozialdemokratischen] Regierungen offenbar durchgesetzt, dass dieses Prinzip der Direktive in nationalen Regelungen aufgehoben wird.
Neue ENFOPOL-Papiere im Netz
Neue, von Statewatch veröffentlichte Dokumente der
EU-Arbeitsgruppe "Polizeiliche Zusammenarbeit" [PCWG], die ihre
Arbeitspapiere mit dem Akronym ENFOPOL versieht, beweisen, dass
dieser Vorstoß massiv und EU-weit seit mehr als einem Jahr
vorangetrieben wird.
Finstere Harmonisierung
Damit werde ein Standard gesetzt, der dann im Zuge der "Harmonisierung" EU-weit Gültigkeit erlange, so Bunyan weiter, der ein finsteres Panorama für die nahe Zukunft skizziert.
Der nächste Schritt sei, diese Logfiles für Polizei und Geheimdienste zugänglich zu machen, gefolgt von der Verpflichtung, die Verbindungsdaten ein Jahr lang zu speichern.
Datenschutz-Direktive der EU
Vor allem wegen des damit verbundenen, enormen Speicherbedarfs
für diese Logfiles, in denen jede einzelne Transaktion sämtlicher
Kunden minutiös vermerkt ist, hatten sich Provider und Telekoms
gegen diese Verpflichtung bis jetzt erfolgreich gewehrt.
"Vorbeugende Gefahrenerforschung"
Warum die Behörden allergrößten Wert auf diese Verbindungsdaten legen, wurde bereits mehrfach in der FutureZone berichtet.
Man will in Zukunft "proaktiv" tätig werden, nämlich "vorbeugende Gefahrenerforschung" betreiben - will heißen Überwachung nach "Bedrohungsbildern" ohne Beschluss eines ordentlichen Gerichts.
ENFOPOL in der Praxis
In der Arbeitsgruppe "Lawful Interception" des "European
Telecommunications Standards Institute", wo die ENFOPOL-Forderungen
in Abhörstandards gegossen werden, wirken mehrere auf Datamining
spezialisierte Firmen mit. "Monitoring-Centers" zur gleichzeitigen
Überwachung von 10.000 Anschlüssen pro Wählamt liefern die
Datensätze, mit denen individuelle Bewegungs- und
Kommunikationsprofile erstellt werden.