Weiter Monopol-verdächtige Methoden
Nach der gestrigen Aufhebung des Urteils zur Zerschlagung Microsofts betrachten sich zwar sowohl das Unternehmen als auch die Kläger als Gewinner, unabhängige Beobachter gehen aber von einem klaren Sieg für Microsoft aus.
Dieser Eindruck wird vor allem durch die Signale aus dem Weißen Haus bestätigt, die fast danach klingen, als seien sie mit Bill Gates abgesprochen: Beide Seiten sprachen von der Möglichkeit einer außergerichtlichen Einigung als bester Lösung für alle Beteiligten.
Zwei große Industrieverbände [der US-Verband der Computer- und Kommunikationsindustrie und der Verband der Software- und Informationsindustrie] begrüßten diese Entscheidung ausdrücklich.
Urteil zur Microsoft-Aufspaltung revidiertKuschelkurs
Beobachter vermuten jetzt, dass sich das Justizministerium außergerichtlich mit Microsoft einigen könnte.
Verstärkt wurde diese Annahme durch eine Erklärung von Ari Fleischer, dem Sprecher des Weißen Hauses. Er verwies darauf, dass Präsident George W. Bush sich immer für Einigungen außerhalb der Gerichte einsetze. "Der Präsident findet, dass in unserer Gesellschaft ganz allgemein zu viel geklagt wird", sagte Fleischer.
Bill Gates sagte dazu passend, dass die Entscheidung des Berufungsgerichts die Tür für eine mögliche Einigung im Prozess öffne, der das Unternehmen seit vier Jahren belaste:
"Mit diesem Urteil gibt es einen neuen Rahmen, und deshalb wäre es nun ein guter Zeitpunkt für alle beteiligten Parteien, sich zusammen hinzusetzen, um zu sehen, was für eine Lösung erarbeitet werden kann", sagte Gates.
Microsoft wird seit mehr als zehn Jahren von den US-Kartellbehörden beobachtet. Der juristische Streit begann im Oktober 1997. Das Justizministerium warf dem Konzern vor, eine 1994 eingegangene Verpflichtung zur Marktöffnung gegenüber anderen Softwareherstellern verletzt zu haben.
Die Chronologie des RechtsstreitsWahlkampfspenden
Nach dem Machtwechsel in den USA hatte die Regierung von US-Präsident George W. Bush einen als besonders Microsoft-freundlich geltenden Juristen an die Spitze der Kartellbehörde gesetzt.
US-Justizminister John Ashcroft berief den Anwalt Charles James auf den Posten. James hatte sich im April 2000 im US-Fernsehsender CNBC klar gegen die Zerschlagung von Microsoft in dem Kartellverfahren ausgesprochen.
Microsoft hat sich in den letzten Jahren zu einem großzügigen Unterstützer der politischen Parteien in den USA entwickelt. Dabei stehen die Republikaner allerdings deutlich stärker in der Gunst von Microsoft und seinen Angestellten als die Demokraten.
Bushs diskreter Dank für WahlkampfspendenBad Cop
US-Justizminister John Ashcroft empfindet unterdessen das
gestrige Urteil unbeirrt als Sieg, da der Vorwurf, das Unternehmen
habe sein Quasi-Monopol auf dem Markt für Betriebssysteme
wettbewerbswidrig ausgenutzt, zum Teil aufrechterhalten wurde.
Bewährte Masche
Microsoft will Gates zufolge nach der Aufhebung des Urteils zur Zerschlagung des Unternehmens "seine Pläne für neue Produkte voranbringen".
Gates sagte, dass nichts das Unternehmen davon abhalten könne, das neue Betriebssystems Windows XP oder andere künftige Produkte wie geplant auf den Markt zu bringen:
"Wir bringen Windows XP als ein Produkt voran, das über die Eigenschaften verfügt, die die Kunden wollen", fügte Gates hinzu.
Dementsprechend wird Microsoft auch bei Windows XP neue Funktionen einbauen, die bisher vor allem von der Konkurrenz angeboten wurden.
Genau eine solche Verknüpfung von Windows 95 mit dem Internet Explorer hatte allerdings die Kartellwächter damals auf den Plan gerufen:
"Es sieht so aus, als würde die Geschichte sich wiederholen", warnte einer der ursprünglichen Kläger, der Justizminister von Iowa, Tom Miller, bereits. Er schloss sogar eine neue Kartellklage nicht aus.
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