EU- vs. US-Kartellpolitik
Nach der Aufhebung des US-Urteils zur Zerschlagung Microsofts von letzter Woche, die unabhängige Beobachter als klaren Sieg für Microsoft interpretieren, mehren sich die Anzeichen dafür, dass dem Unternehmen jetzt eine härtere Gangart durch die EU-Wettbewerbshüter bevorsteht.
Sowohl eine Reihe renomierter Kartellrechtsspezialisten als auch Marktanalysten gehen davon aus, dass die EU-Wettbewerbskomission "ihre Muskeln zeigen wird", um dem Eindruck entgegenzutreten, dass "die Bush-Regierung das Ende von effizienten Antikartellmaßnahmen bedeutet", meint beispielsweise Peter Alexiadis, ein Kartellrechtsspezialist aus Brüssel [Squire, Sanders und Dempsey].
Insbesondere dass die EU-Kommission am Dienstag im Alleingang die 43-Milliarden-Fusion der US-Firmen General Electric und Honeywell platzen ließ, wird vielfach als Signal für eine neue Härte gewertet. Die US-Behörden hatten das Vorhaben erlaubt.
Das EU-Gremium hatte einstimmig beschlossen, die milliardenschwere Übernahme des Elektronikkonzerns Honeywell durch den Industrieriesen General Electric [GE] zu verbieten. Nach dem EU-Veto hat der Chef von Honeywell, Michael Bonsignore, seinen Posten aufgegeben.
EU-WettbewerbskommissionEnter the arena
"Die EU-Wettbewerbskommission wird die entscheidende Arena für eine Reihe von Fusionen, aber bestimmt auch für Mircosoft", gibt sich auch der US-Kartellrechtsspezialist Emmett Stanton nach der negativen GE-Honeywell-Entscheidung sicher [Fenwick & West, Palo Alto].
Merrill-Lynch-Analyst Henry Blodget sieht sogar einen direkten Zusammehang zwischen der vielfach vermuteten politischen Einflussnahme auf das US-Kartellverfahren gegen Microsoft und einer künftigen Härte der EU-Kartellpolitik:
Die milde US-Entscheidung dürfte demnach "in Gegenden, in denen Microsofts politischer Einfluss nicht so stark ist", zu vermehrtem kartellrechtlichem Druck führen.
Nach dem Machtwechsel in den USA hatte die Regierung von US-Präsident George W. Bush einen als besonders Microsoft-freundlich geltenden Juristen an die Spitze der Kartellbehörde gesetzt, was vielfach mit der positiven Entscheidung für Microsoft von letzter Woche in Verbindung gebracht wurde.
Beobachter vermuten jetzt, dass sich das Justizministerium außergerichtlich mit Microsoft einigen könnte.
US-Justizminister John Ashcroft berief den Anwalt Charles James auf den Posten. James hatte sich im April 2000 im US-Fernsehsender CNBC klar gegen die Zerschlagung von Microsoft in dem Kartellverfahren ausgesprochen. Microsoft hat sich in den letzten Jahren zu einem großzügigen Unterstützer der politischen Parteien in den USA entwickelt. Dabei stehen die Republikaner allerdings deutlich stärker in der Gunst von Microsoft und seinen Angestellten als die Demokraten.
Bush und Gates auf SchmusekursDoppelpack
In Europa sind zwei Kartellverfahren gegen Microsoft anhängig. Das erste wurde 1998 auf Grund von Beschwerden des MS-Konkurrenten Sun aufgenommen. Es geht dabei um die angebliche Vorenthaltung von Informationen, die Schnittstellen von Servern zu Windows betreffen.
Das zweite Verfahren wurde im Februar 2000 eröffnet und soll klären, ob "Windows 2000" Microsoft einen regelwidrigen Vorteil bei E-Commerce-Anwendungen verschafft.
Microsoft wehrt sich gegen EU-Verfahren"Nicht zwingend"
Die EU-Wettbewerbskommission hielt sich unterdessen mit direkten Kommentaren zu den beiden Microsoft-Fällen zurück.
Die Kommissionssprecherin Amelia Torres sagte am Dienstag zu den Spekulationen, dass die konträre EU-Entscheidung im Fall GE - Honeywell eine härtere Gangart bedeute und einen Einfluss auf die Microsoft-Verfahren habe: "Ich würde das nicht zwingend so sehen."
EU-Wettbewerbskommissar Mario Monti betonte gestern seine feste Entschlossenheit, weiter mit den US-Behörden zusammenzuarbeiten - eine Versicherung, die in Zeiten der uneingeschränkten Einigkeit in der Kartellpolitik schlicht überflüssig wäre.