Neustart im Microsoft-Kartellprozess
Nach jahrelangen juristischen Konflikten verzichten die US-Kartellbehörden und die ebenfalls klagenden Bundesstaaten endgültig auf die Zerschlagung Microsofts.
Das Justizministerium in Washington begründete die Entscheidung am Donnerstag mit den Interessen der Verbraucher.
Auch der Vorwurf, Microsoft habe unfairerweise seinen Internet-Browser direkt in das marktbeherschende PC-Betriebssystem Windows eingebaut, wurde fallen gelassen.
Der Konzern soll aber sein Geschäftsgebaren gegenüber Computerherstellern ändern, forderte die Regierung.
Im vergangenen Jahr hatte Richter Thomas Jackson die Zerschlagung von Microsoft in zwei Unternehmen angeordnet. Diese Entscheidung hob aber im Juni dieses Jahres ein Berufungsgericht wieder auf. Die Berufungsrichter bestätigten zwar Verstöße des Unternehmens gegen das Kartellrecht, nannten eine Zerschlagung aber angesichts des vorgelegten Beweismaterials zu hart. Der Fall wurde an die erste Instanz zurückverwiesen. Die erste Anhörung durch die neu mit dem Fall befasste Richterin Colleen Kollar-Kotelly ist für den 21. September geplant.
"Microsoft ist ein Monopol"Schnelle Lösung finden
Auch die klagenden Bundesstaaten wollen jetzt nicht mehr auf eine Zerschlagung des Konzerns hinarbeiten, erklärte der Justizminister von Iowa, Tom Miller. Stattdessen wollen die Behörden möglichst rasch andere Sanktionen erreichen.
Microsoft-Sprecher Jim Desler erklärte, sein Unternehmen wolle eine Lösung für die noch offenen Fragen finden und den Fall abschließen.
Die Chronologie des RechtsstreitsQuellcode und Desktop
Das Justizministerium in Washington betonte, den Verbrauchern solle "rasche, wirksame und sichere Erleichterung" verschafft werden.
So bald wie möglich sollten angemessene Sanktionen gegen Microsoft verhängt werden, um die wettbewerbswidrigen Praktiken des Konzerns zu beenden. Dabei will sich Washington an einem ersten Urteil vom vergangenen Jahr orientieren.
Darin hatte Bundesrichter Jackson verfügt, der Konzern solle den PC-Herstellern Einblick in den Quellcode von Windows geben.
Jackson verlangte auch öffentliche Preisvorgaben für den De-facto-Monopolisten. Zudem sollten die Firmen das Aussehen von Windows ändern können.
Zumindest im letzten Punkt hat Microsoft in letzter Zeit einige Zugeständnisse bezüglich Windows XP gemacht, derzeit ist allerdings unklar, wie diese in der Praxis aussehen werden.
Nun doch MS-Icons in Windows XPGehe über Los
Mit der Entscheidung der Kläger werden die Karten im Kartellprozess wieder völlig neu gemischt.
Microsoft kann sich auf jeden Fall darüber freuen, dass die Zerschlagung und die Untersuchung der Einbindung des Explorers in Windows in den USA vom Tisch sind.
Insbesondere der letzte Punkt kann auch als Signal dafür gewertet werden, dass die Einbindung von anderen Anwendungen in Windows XP zunächst nicht auf den Widerspruch der US-Behörden stoßen wird.
Zuletzt hatte die Kommission ihr Kartellverfahren gegen Microsoft auf die Frage ausgedehnt, ob der US-Softwarekonzern seinen Windows Media Player [WMP] illegal mit dem Betriebssystem Windows verknüpft.
Media-Player im Visier der KartellwächterVerlauf ist völlig offen
Sollte die Regierung allerdings ernsthaft Preiskontrollen, Einblicke in den Quellcode und die freie Gestaltung des Desktops durchsetzen, wäre das ein herber Schlag für Microsoft.
Andererseits könnten die Verhandlungen auch darauf hinauslaufen, dass MS nur zu kosmetischen Korrekturen gezwungen wird.
Zumindestens was die Öffnung des Desktops und die Einblicke in den Windows-Quellcode anbelangt, könnte Microsoft auf bereits erfolgte Maßnahmen verweisen. Sollte das ausreichen, wären die Sanktionen völlig wirkungslos.
Microsoft gibt Windows-Quellcode preis