"Big Brother" aus der Nachbarschaft
Ein Pilotprojekt in Großbritannien ruft Datenschützer auf den Plan: Im Rahmen einer Breitband-Initiative sollen die Einwohner des Londoner Stadtteils Shoreditch Zugriff auf die Bilder der lokalen Überwachungskameras erhalten - und der Polizei die Überwachung abnehmen.
Was Überwachungsmaßnahmen betrifft, ist Großbritannien Weltmeister: Rund um die Uhr sind mehr als zwei Millionen Kameras eingeschaltet. In einigen Straßen der Hauptstadt London hängen die Geräte alle 15 Meter.
Die Kameras in U-Bahnen, auf Straßen und in öffentlichen Gebäuden sind mit Monitoren verbunden, das "Closed Circuit Television" [CCTV] wird in Überwachungszentralen von Polizisten oder anderem Wachpersonal kontrolliert.
Ein Pilotprojekt mit dem Namen "Digital Bridge" im Londoner Stadtteil Shoreditch soll ab März rund 1.000 Haushalten die Möglichkeit geben, auch einmal einen Blick auf diese Überwachungsbilder zu werfen - von den rund 400 Kameras aus der Nachbarschaft.
Im Endausbau sollen rund 20.000 Haushalte in den genuss des Services kommen.
Ein Kanal für Hobbydetektive
Wer auf dem Heimfernseher Verdächtiges bemerkt, kann dann sofort die Polizei einschalten. Auch anonyme Hinweise per E-Mail sollen möglich sein.
Der "Community Safety Channel" des Projekts bietet auch eine Art Fahndungsliste an, mit deren Hilfe die Wohnzimmer-Ermittler das Aussehen von Verdächtigen mit Aufnahmen der Polizei vergleichen können.
Hintergrund ist der Plan, das Viertel zur größten Breitband-Community von Großbritannien zu machen. Zwölf Millionen Pfund lässt sich die Regierung das Programm auf zehn Jahre kosten, das den Nutzern neben einem schnellen Internet-Zugang auch günstige Telefonate und eine Gratis Set-Top-Box für den Empfang von Digital-TV verspricht.
Pro Woche wird eine Gebühr von 3,50 Pfund [5,10 Euro] fällig.
"Das ist wie eine Version des 21.Jahrhunderts von 'Big Brother'", sagt einer der Verantwortlichen, Atul Hatwell. "Auf diese Weise kann jeder beim Kampf gegen die Kriminalität dabei sein."
Datenschützer protestieren
Neben dem CCTV-Kanal bietet das Projekt durchaus vernünftige Programme wie einen Gesundheitskanal, einen Verbraucherkanal und einen Kanal, der Arbeitslosen bei der Suche nach einer neuen Anstellung helfen soll.
Bei Datenschützern stößt das Vorhaben erwartungsgemäß auf heftige Kritik. Sie sehen darin einen weiteren Schritt hin zum Überwachungsstaat und wollen nun eine Untersuchung des Informationsministeriums erreichen.
(futurezone | dpa | BBC | The Register)