Microsoft reizt EU-Galgenfrist erneut aus
Im Tauziehen um EU-Sanktionen hat der Software-Hersteller Microsoft wieder einmal die Geduld der EU-Wettbewerbshüter auf die Probe gestellt. Im letzten Moment wurde ein 75-seitiges Antwortschreiben eingereicht.
Kurz vor Ablauf eines Ultimatums reagierte Microsoft auf Vorwürfe der EU-Kommission im seit Jahren andauernden Wettbewerbsstreit.
In einem 75-seitigen Schreiben wies der Konzern die Vorwürfe der EU-Kommission zurück, dass es frühere Auflagen zu Gunsten kleinerer Software-Unternehmen nicht erfüllt habe.
"Hunderte Microsoft-Mitarbeiter ... haben mehr als 30.000 Stunden daran gearbeitet, mehr als 12.000 Seiten detaillierter technischer Dokumente für die Lizenzierung zusammenzustellen", hieß es in dem MS-Dokument.
Rekordstrafe von 500 Mio. Euro
Die Kommission hatte den Softwaregiganten vor knapp zwei Jahren zu einer Rekordstrafe von knapp 500 Millionen Euro und zur Öffnung des Betriebssystems Windows für Wettbewerber verurteilt. Gegen das Urteil hat Microsoft Berufung beim Europäischen Gerichtshof [EuGH] eingelegt.
Bis zu zwei Mio. Euro täglich
Über diese Öffnung gibt es im Detail immer noch Streit zwischen Brüssel und dem Konzern. Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes hatte im Dezember dem Konzern mit täglichen Zwangsgeldern von bis zu zwei Mio. Euro pro Tag gedroht, falls die technischen Angaben nicht geliefert würden.
Schnittstellen als Knackpunkt
Die Nichtregierungsorganisation Free Software Foundation Europe erklärte am Mittwoch, die Kommission dringe damit zum Kern des Problems vor.
"Das Monopol von Microsoft fängt damit an zu wackeln", sagte ein Sprecher der Organisation, die als Drittpartei an dem Verfahren gegen Microsoft beteiligt ist.
Kein Mensch sei am Source-Code von Windows interessiert. Es gehe um die Schnittstellen, an denen andere Betriebssysteme und Programme anknüpfen könnten.
Tatsächlich verfolge Microsoft derzeit eine entgegengesetzte Strategie, indem es die Zahl der Schnittstellen "exponentiell" steigere und in der neuen Windows-Version Vista sogar verschlüsseln und patentieren werde, beklagt die Organisation.
Vista erscheint im Herbst
Windows Vista soll im Herbst auf den Markt kommen.
Sorgfältige Prüfung
Die EU-Kommission will in den kommenden Wochen nach einer mündlichen Anhörung entscheiden, ob die von Microsoft vorgelegte Antwort ausreichend ist, und gegebenenfalls Strafen verhängen.
Ein unabhängiger Experte, Professor Neil Barrett, hatte sich im Herbst kritisch zu der von Microsoft vorgelegten Dokumentation geäußert und eine deutliche Überarbeitung angemahnt.
Er und seine Kollegen seien mit der Microsoft-Anleitung nicht in der Lage gewesen, Produkte von Konkurrenten auf Microsoft-Servern zum Laufen zu bringen, erklärte Barrett.
(futurezone | AFP | dpa | AP | Reuters)