Konkurrenz für Digicam und MP3-Player
MP3-Player, Digicam und Telefon in einem - mit dieser Strategie hoffen die Handyhersteller, am Boom des digitalen Lifestyles mitnaschen zu können. Vor allem für kleine Flash-Player und Digicams könnte das gefährlich werden.
Wer unterwegs erreichbar, Musik hören und jederzeit für Schnappschüsse bereit sein will, muss dafür nicht mehr drei verschiedene Geräte mit sich tragen – ein Handy reicht mittlerweile. Immer mehr Mobiltelefone bieten neben der Telefonie auch einen Musikplayer, Kamerahandys sind fast schon Standard.
Die Qualität der zusätzlich integrierten Funktionen lässt jedoch oft zu wünschen übrig. Dem treten die Hersteller nun verstärkt entgegen, wohl in der Hoffnung, Digicams und MP3-Player zumindest ein Stück weit aus den Taschen der Nutzer verdrängen zu können.
Drei Megapixel werden Handy-Standard
So stellte Sony Ericsson diese Woche unter der Zusatzbezeichnung "Cybershot" neue Handys wie das K800i vor, das mit einer integrierten 3,2-Megapixel-Kamera mit Autofokus, Xenon-Blitzlicht und Bildstabilisator die gleiche Qualität wie die ebenfalls unter dem Namen Cybershot bekannten Sony-Digicams liefern soll.
Auch Marktführer Nokia bringt mit dem N80 demnächst ein Handy auf den Markt, das mit einer Drei-Megapixel-Kamera, LED-Blitz und einem 20fachen Digitalzoom zumindest am unteren Ende der aktuellen Digicam-Generation Anschluss sucht.
Beide Handys sollen noch im ersten Halbjahr 2006 auf den Markt kommen. Während Nokia bei seinem N80 auf ein hauseigenes Blog-Service setzt, hat Sony Ericsson dafür eine Kooperation mit Google.
Musik für unterwegs
Die beiden UMTS-Handys setzen neben ausgebauter Imaging-Funktionen natürlich auch auf mobilen Musikgenuss, beide unterstützen mit eingebauten Playern Songs im MP3- und AAC-Format.
Sony Ericsson hat mit seinen Walkman-Handys bereits erfolgreich einen Fuß auf den von MP3-Playern dominierten mobilen Musikmarkt gesetzt. Nokia will mit dem N91 und dessen vier Gigabyte großer Festplatte noch tiefer vorstoßen und vor allem den kleineren MP3-Playern Konkurrenz machen.
Was braucht und will der Kunde?
Für den Kunden stellt sich dabei die Frage: Lieber für jedes Bedürfniss ein eigenes Gerät oder besser alles in einem? Kurz gesagt: Mehr Kosten und mehr schleppen oder reicht ein neues Handy?
Geht es nach den Handyherstellern, dann soll der Kunde natürlich alles in einem und am besten von ihnen geliefert bekommen - und die Kunden folgen durchaus willig. Musikhandys sind stark gefragt, wobei auch MP3-Player weiter Topseller sind.
Sony Ericsson setzt dem N91 sein Walkman-Handy W950i entgegen, dass ebenfalls [bis zu] vier Gigabyte Speicherplatz, allerdings auf Flash-Speicherkarten, bietet. Der Vorteil von Flash-basierten Playern und Handys ist, dass sie weniger Energie brauchen und mit einer Akku-Ladung länger auskommen.
Musikhandys auf dem Vormarsch
Analysten von Strategy Analytics rechnen damit, dass bis 2010 796 Millionen Handys mit integriertem Musikplayer verkauft werden und damit drei Viertel des Marktes abdecken.
Gleichzeitig soll sich der Markt für MP3-Player auf 176 Millionen verdreifachen und damit ein schwächeres Wachstum verzeichnen. Dabei ist einzurechnen, dass der Anteil der Musikhandys auch davon abhängt, wie oft die Handyhersteller diese Funktion in ihre neuesten Modelle integrieren.
Als vor einigen Jahren die ersten Handys mit Kamerafunktion vorgestellt wurden, bekamen das vor allem Billig-Digicams zu spüren, der Einfluss auf den Gesamtmarkt blieb jedoch gering.
Bei den Musikhandys rechnen Marktbeobachter mit mehr Auswirkungen, da hier die Qualität, vor allem bei der mobilen Nutzung mit vielen störenden Hintergrundgeräuschen, weniger eine Rolle spielt.
Warten das Apple-Handy
Als absoluter "Killer" wird von vielen ein MP3-Player von Apple angesehen, der auch Telefonie-Funktionen mit sich bringt. Ein erster Ansatz dazu, das Rokr aus der Kooperation zwischen Motorola und Apple, hat mit seinem Design und dem Speicherlimit auf 100 Songs allerdings nicht überzeugen können.
Qualität vs. Konvergenz?
Im Moment zeichnet sich nur eines mit Sicherheit ab: Die Hersteller statten ihre Geräte mit immer mehr und besseren Funktionen aus, egal, ob Handys, MP3-Player oder Digicams. Den Nutzen hat dabei vor allem der Kunde, der bei der Wahl des für seine Bedürfnisse passenden Geräts mehr Auswahl hat.
Puristen, Musikliebhaber und Fotoprofis werden sich nicht mit Geräten mit Zusatzfunktionen begnügen, sondern lieber auf solche zurückgreifen, die nur einer Aufgabe dienen, dafür aber möglichst perfekt. Wer sich mit weniger begnügt, hat durch die "neue Konvergenz" weniger zu schleppen.
Als Flop erwies sich offenbar der Versuch von BenQ, Digicams mit Radio und MP3-Player auszustatten. Die Digicam DC S30 wurde nach nur eineinhalb Jahren Ende 2005 wieder vom Markt genommen.
(futurezone | Reuters | Nadja Igler)