Freies Handyprojekt Openmoko unter Druck
In einem Interview mit seiner Entwicklergemeinde hat Openmoko-Gründer Sean Moss-Pultz eingeräumt, dass das offene Mobiltelefonprojekt noch einen weiten Weg vor sich hat. Bisher seien weltweit rund 10.000 Exemplare des zweiten Openmoko-Handys FreeRunner verkauft worden. Mit seinen Vorstellungen von "Social Electronics" ist Moss-Pultz allerdings nicht allein.
Im Rahmen eines Gruppeninterviews auf der offiziellen Mailingliste der Open-Source-Handyplattform Openmoko gab Moss-Pultz am 3. Jänner einen Einblick in den aktuellen Stand und die Herausforderungen des Projekts.
Vom Miniprojekt zur eigenen Firma
Demnach sei es Openmoko, das sich von einem kleinen Nebenprojekt zu einer Tochterfirma des taiwanesischen Elektronikkonzerns FIC gemausert hat, gelungen, seit der Markteinführung im Juli rund 10.000 Exemplare des Mobiltelefons Neo FreeRunner via Internet und über das Netz von weltweit 24 Distributoren abzusetzen. Das sei gerade genug, um das Überleben des Projekts zu sichern.
Das FreeRunner, ein Mobiltelefon, auf dem mittlerweile mehrere Linux-basierte Betriebssysteme laufen, ist nach einer Vorabversion für Entwickler namens Neo 1973 das erste Smartphone des Projekts, das gezielt an Endanwender vermarktet wurde.
Das Ziel von Openmoko ist es, das modulare und offene Konzept des PC auch auf dem Mobilfunkmarkt durchzusetzen. Deshalb ist das Projekt allerdings auf der Hardware-Seite in der Verwendung der Komponenten eingeschränkt und kann nur solche in seine Hardware-Plattform integrieren, die offen dokumentiert sind.
Einfache Hardware
Das Mobiltelefon, das sich über einen drucksensitiven Bildschirm bedienen lässt, kostet bei deutschen Distributoren derzeit zwischen 299 und 349 Euro. Es beherrscht zwar WLAN nach 802.11b/g und Bluetooth 2.0 und hat auch AGPS und zwei Bewegungssensoren eingebaut, allerdings kann das FreeRunner kein UMTS, was seinen Nutzen als mobile Surfstation einschränkt.
Mit dem Konkurrenzprodukt iPhone wolle er sich nicht messen, so Moss-Pultz, schließlich sei Apple bereits seit 30 Jahren im Geschäft, Openmoko erst seit zwei. Vom iPhone 3G hat der Konzern von Steve Jobs am ersten Wochenende des Verkaufs im Juli 2008 rund eine Million Geräte absetzen können.
Druck seitens Google und Apple
Zum FreeRunner-Nachfolger mit dem Codenamen GTA03 wollte sich Moss-Pultz nicht weiter äußern. 2008 habe man den FreeRunner noch über das Argument der Offenheit verkaufen können, allerdings verstünden die Normalverbraucher unter einem offenen Mobiltelefon heute eher Apples iPhone oder das G1 von HTC, das unter Googles Mobil-Betriebssystem Android läuft.
Das Android-Handy G1 soll im ersten Quartal 2009 von T-Mobile auch in Österreich angeboten werden. Bisher bietet T-Mobile das Gerät nur in den USA an.
Moss-Pultz ist der Meinung, dass niemand mehr den Wert der Offenheit für die Mobilfunkindustrie anzweifle. Allerdings habe sich auch die Definition von "Offenheit" geändert. In dieser dynamischen Umgebung sei es nötig, grundlegende Änderungen bei Openmoko vorzunehmen. Man könne Apple und Google nicht einholen. Die Qualität der eigenen Produkte sei nicht auf Weltniveau.
Mash-Netz vorerst gescheitert
Eine der Openmoko-Ideen, nämlich die Telefone über ein System namens Diversity als Zellen in einem Mash-Netzwerk zu verwenden und sie nur noch dann ans GSM-Netz gehen zu lassen, wenn ein Teilnehmer im Mesh nicht erreichbar sei, habe sich vorerst nicht verwirklichen lassen.
Konkrete Antworten auf den Druck, den der Erfolg des iPhone und der Markteintritt von Android - das mittlerweile auch auf dem FreeRunner laufen kann - auf Openmoko ausübt, hat Moss-Pultz nicht gegeben. Es sei sinnvoll für die Firma, sich in der derzeitigen Situation auf die Grundlagen zu konzentrieren und die knappen Ressourcen nicht auf den Aufbau von Komponenten zu verschwenden, die bereits existierten.
Social Electronics
Moss-Pultz sieht Openmoko als Pionier in einem Bereich, den er "Social Electronics" nennt. Damit meint er Geräte, die offen genug sind, dass eine lose über die Welt verstreute Entwicklergemeinde sie verbessern und mitkonzipieren kann. Ob sich das Erfolgsrezept von Open-Source-Software auch auf die Konzeption von Mobiltelefonen übertragen lässt, bleibt dabei abzuwarten.
Zumindest der US-Intellektuelle und Quer-durchs-Netz-Denker Bruce Sterling scheint Moss-Pultz' Meinung in diesem Punkt zu teilen. In seinen traditionellen Vorhersagen fürs kommende Jahr sieht er in der aktuellen Wirtschaftskrise die Möglichkeit eines Aufschwungs für professionell verwaltetes Gemeingut.
Hacker vs. IP-Vampire
Sterling, der sich in den vergangenen Jahren intensiv mit den Herausforderungen an Produktdesign durch Fabrikatoren befasst hat - Geräte, die als eine Art 3-D-Drucker beliebige Bauteile zunehmend einfacher und billiger produzieren können - glaubt, dass die "Commons-based Peer Production" neue Felder für wahrhaft zeitgenössisches Denken und Handeln eröffnet. Denn die Commons, so Sterling, seien gerade nicht an die zunehmend instabilen Kapitalflüsse angekoppelt.
"Sie könnten uns neue Möglichkeiten des Überlebens in diesen harten Zeiten eröffnen", schreibt Sterling, der sich auch an Produktionsbedingungen in Hacker-Labors wie dem Wiener Metalab interessiert zeigt, "die Commons machen es einfacher, die Vampir-Schwärme der kommerziellen Verfechter geistigen Eigentums abzuwehren, die alles monetarisieren und hinter einem Stacheldraht aus rechtlichen Bestimmungen einsperren wollen. Weil sie pleite sind."
(futurezone/Günter Hack)